Interview

»Ich würde meine Eltern in ein Senecura-Heim legen«

Spardruck, Vernachlässigung, Einschüchterung – die Liste der mutmaßlichen Missstände in den Alten- und Pflegeheimen der Senecura-Gruppe ist lang. DOSSIER hat die Unternehmens-führung damit konfrontiert, Geschäftsführer Markus Schwarz versucht im Interview zu beschwichtigen.

Interview: Julia Herrnböck, Florian Skrabal

Pflegeheime9.4.2024 

DOSSIER: Wir haben ein Jahr lang recherchiert und mit dutzenden Menschen über Senecura gesprochen. In den Gesprächen werden stets die gleichen Vorwürfe erhoben: Seit der Übernahme durch Orpea sei der wirtschaftliche Druck in den Heimen gestiegen, Kritiker·innen würden eingeschüchtert, Pflegekräfte seien überlastet. Überraschen Sie die Vorwürfe?

Markus Schwarz: Wir versuchen, in unserem Unternehmen sehr transparent zu sein und alle Dinge, die nicht nach unseren Standards laufen, entsprechend abzuarbeiten. Diese Vorwürfe basieren auf Konflikten auf der persönlichen Ebene. Dass Konflikte in den Teams oder zwischen Bewohner·innen und Mitarbeiter·innen laufen, kommt bei 6.000 Beschäftigten vor. Hinzu kommt: Überlastung ist seit Corona ein Thema der gesamten Branche. Es herrscht Fachkräftemangel. Mit der Übernahme durch Orpea haben wir stärker in Prozesse eingegriffen und Aufgaben zentralisiert, was von manchen als Spardruck wahrgenommen wird.

Alle bekanntgewordenen Pflegeskandale in Österreich seit 2021 sind in Heimen der Senecura-Gruppe passiert: Sitzenberg-Reidling, Kirchberg am Wechsel, Salzburg-Lehen. Jedes Mal waren mehrere Bewohner·innen betroffen. Im Fall Lehen ermittelte die Staatsanwaltschaft, im Fall Kirchberg erhob sie Anklage, und im Fall Sitzenberg-Reidling kam es zu Verurteilungen. Das sind doch keine Konflikte auf persönlicher Ebene.

Wenn sich Mitarbeiter·innen in Konfliktsituationen an die Staatsanwaltschaft, die Presse oder die Behörden wenden, tun wir uns oft schwer damit, weil eine einseitige Version an die Öffentlichkeit gelangt. Wir als Unternehmensführung bekommen einen Konflikt präsentiert, den wir lösen müssen. Was Sie Skandal nennen können, ist Sitzenberg-Reidling. Wir haben übersehen, dass sich dort während Corona eine Gewaltstruktur entwickelt hat. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, diese Mitarbeiter·innen vom Markt zu nehmen, und haben sie deswegen angezeigt.

Hier haben wir durch die Pandemie sicher zu spät hingeschaut. Im Fall Salzburg-Lehen war für uns klar, dass die Volksanwaltschaft gewisse Themen bei der Salzburger Heimaufsicht aufzeigen wollte. Das war ein politisches Exempel. Und in Kirchberg am Wechsel hatten wir die Situation einer Mitarbeiterin, die viele Konflikte im Team erzeugt hat. Es hat Aussprachen gegeben, wo vielleicht das eine oder andere nicht adäquate Wort gefallen ist.

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