Hinter den Mauern des katholischen Pflegeheims Clementinum in Kirchstetten ereignete sich 2016 Unvorstellbares: Pflegekräfte quälten und misshandelten hilflose Bewohner·innen. Vier Beschuldigte wurden 2021 am Landesgericht St. Pölten verurteilt. In einem zweiten Prozess 2023 wurden die Haftstrafen für drei von ihnen auf bis zu dreieinhalb Jahre erhöht.
Der vorsitzende Richter bezeichnete die Handlungen als »rücksichtslos, besonders widerwärtig und zutiefst verabscheuungswürdig«. Es gibt Parallelen zwischen dem Fall Kirchstetten und den schweren Missständen im Senecura-Heim Sitzenberg-Reidling. Auch dieser Prozess endete 2023 am Landesgericht St. Pölten mit Schuldsprüchen.
Drei der vier Angeklagten wurden wegen fortgesetzter Gewaltausübung durch Freiheitsentziehung sowie Quälens und Vernachlässigens wehrloser Personen verurteilt. In beiden Fällen kommentierten die Pflegekräfte ihre Taten in einem Whatsapp-Chat und machten sich über ihre wehrlosen Opfer lustig.
Und in beiden Fällen begründete derselbe Verteidiger die Gewalt seiner Mandant·innen mit Überlastung und Stress im Pflegeheim. Wir haben mit Dominic Stefl, dem damaligen Wohnbereichsleiter und direkten Vorgesetzten des Quartetts in Kirchstetten, gesprochen.
DOSSIER: Wie haben Sie erfahren, dass es auf Ihrer Station zu Misshandlungen -gekommen ist?
Dominic Stefl: Es war ein Freitag. Um 17.30 Uhr läutet mein Telefon. Ich hebe ab, und mein Vorgesetzter sagt: »Komm runter zu mir ins Büro.« Ich habe gefragt, was los sei, er hat nur wiederholt: »Komm einfach runter.« Da wusste ich schon, dass etwas nicht stimmt. Als ich in sein Büro kam, saß eine meiner Mitarbeiterinnen bei ihm, komplett verheult. Mein Vorgesetzter schaut mich an, meine Mitarbeiterin schaut mich an, und sie sagt: »Ich kann nicht mehr, ich habe das jetzt machen müssen.« Und dann hat sie uns berichtet, was so abgeht. Ich habe mir alles schildern lassen. Ich bin dort gesessen und habe einfach nur gedacht: »Du musst atmen. Auch wenn dir die Luft wegbleibt und du kein Wort herausbringst. Atme!« Mein Vorgesetzter schaute mich an und sagte: »Kannst du dir vorstellen, dass das wahr ist?« Und ich habe gesagt: »Ja, ich kann mir absolut vorstellen, dass das stimmt.«
Exklusiv für Mitglieder
Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!
Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.