Stars, Sternchen und die Sunks

Interessenkonflikte durch Nebenjobs – dagegen hat der ORF mit seinem Regelwerk vorgesorgt. Trotzdem kommt es immer wieder zu fragwürdigen Geschäftsbeziehungen von ORF-Beschäftigten.

Text: Ashwien Sankholkar, Florian Skrabal

ORF27.3.2023 

Das Ehepaar Sunk muss man nicht kennen. Außer man lebt in Niederösterreich. Hier sind ­Katharina und Claudio Sunk so etwas wie lokale Celebrities, die dem Publikum das liefern, was man im Journalismus einen Bogen nennt: morgens mit der Stimme von Radiomoderator Claudio den Tag ­beginnen, ihn abends mit Katharina im Fernsehen ausklingen lassen.

ORF Niederösterreich macht es möglich – und vieles mehr. Neben seiner Arbeit beim ORF ging das Ehepaar Sunk noch seinen privaten Geschäften nach, die so einiges an Konfliktpotenzial in sich bergen. 

Niederösterreich heute-Moderatorin und Chefin vom Dienst Katharina moderierte mitunter Events öffentlicher Stellen, über die das ORF-Landes­studio regelmäßig berichtet – zum Beispiel von der landeseigenen Wirtschaftsagentur Ecoplus. Und Ehegatte Claudio?

Der betreibt seit Jahren nach der Frühschicht im Landesstudio seine Produktionsfirma Streamers. »Livestream, Event-Service, News-Service, Videoproduktion, Podcasts« – all das hat Sunk mit seiner privaten Firma im Portfolio. Und Geld vom Land Niederösterreich, von Ecoplus und der Wirtschaftskammer Niederösterreich im Portemonnaie. 

Aber es wäre nicht Niederösterreich, könnte ­Claudio Sunk nicht auch noch auf jenen Kunden zählen, der ihn bei Land und Leuten bekannt gemacht hat: seinen anderen Arbeitgeber, den ORF. Und das sieht dann so aus: 2021 erhält Streamers den Auftrag, am ersten »Sport Economy ­Summit« in der niederösterreichischen ­Gemeinde ­Grafenegg mitzuarbeiten. Ausgerichtet und bezahlt wurde der Event vom Land und der Ecoplus.

Während Katharina gemeinsam mit ORF-Sport-Starjournalist Rainer Pariasek auf der Bühne moderiert, steuert Ehemann Claudio das Show- und Technikkonzept der Veranstaltung bei. Promotion-Beiträge inklusive, bis heute sind sie auf der Ecoplus-Website zu sehen. Und quasi als Spin-off entsteht ein ­16-minütiges Highlightvideo, das es bis ins Programm von ORF Sport + schafft. Zu welchen Konditionen? Darüber hüllt sich Claudio Sunk auf DOSSIER-Anfrage in Schweigen. 

Am Ehepaar Sunk wird im Kleinen sichtbar, was sonst bei den ORF-Stars auf der großen Bühne diskutiert wird: das Compliance-Problem des ­Öffentlich-Rechtlichen. Wie heikel Nebenjobs sind, zeigten jüngst zwei prominentere Beispiele: als ORF-Talkmasterin Vera Russwurm Anfang 2023 den Wahlkampfauftakt der ÖVP Nieder­österreich moderierte; oder als bekannt wurde, dass Claudia Reiterer, Moderatorin der ORF-Sendung Im Zentrum, für einen Firmenevent in den Räumen der Wirtschaftskammer gebucht worden war.

In beiden Fällen ließ die Kritik nicht lange auf sich warten. Befangenheit, oder auch nur der Anschein einer solchen, ist im Journalismus ein rotes Tuch. In vielen Medienunternehmen gelten daher Compliance-Richtlinien, in denen unter anderem der Umgang mit Nebenjobs geregelt ist. So auch im ORF. Warum kommt es dennoch immer wieder zu fragwürdigen Auftritten oder ­Geschäftsbe­ziehungen von ORF-Berühmtheiten? 

Papier ist geduldig

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Vera Russwurm oder Claudio Sunk sind etwa nicht fest beim ORF angestellt und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des Verhaltenskodex. Doch selbst bei festangestellten ORF-Mitarbeiter·innen werden die eigenen Regeln oft einfach nicht angewandt.

Das beste Beispiel ist Robert Ziegler, bis vor kurzem Chef des Ehepaars Sunk. Im Februar 2023 musste Ziegler als Landesdirektor des ORF Nieder­österreich abdanken, nachdem bekannt geworden war, dass er das Landesstudio jahrelang mit der Pressestelle der ÖVP verwechselt hatte.

Wie DOSSIER berichtete, besserte sich Ziegler sein ORF-Gehalt noch ordentlich auf – mit Aufträgen vom Land, der Wirtschaftskammer und von ÖVP-nahen Organisationen wie dem inzwischen aufgelösten Alois-Mock-Institut. Ziegler veranlasste also jahrelang wohlwollende Berichterstattung über seine private Kundschaft. All das zwang ORF-Generaldirektor Roland Weißmann zu handeln. 

Anfang Februar schrieb der ORF-Chef eine E-Mail an die Belegschaft, Betreff: »Nebenbeschäftigungen – restriktivere Handhabung«. »In den letzten Wochen gab es eine Vielzahl von medialen Berichten über Nebenbeschäftigungen von ORF-Journalist·innen und -Moderator·innen, die geeignet waren, in der Öffentlichkeit den Zweifel mangelnder Unabhängigkeit zu erwecken. Wie der erste Satz des Verhaltenskodex des ORF festhält, ist für den ORF ›Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von existenzieller Bedeutung‹ – das gilt zurzeit mehr denn je«, heißt es darin.

Weißmann weiter: »Aus diesem Grund sind Nebenbeschäftigungen im Anwendungsbereich des ORF-Verhaltenskodex bei Kammern (insbesondere Wirtschafts- und Arbeiterkammer), politischen Institutionen (insbesondere Bundes- und Landes­regierungen, Ministerien etc.) sowie parteinahen Interessenvertretungen und Instituten von den Verantwortlichen abzulehnen.« Sämtliche Nebenjobs seien »besonders restriktiv zu prüfen«. Eine ORF-interne ­Ethikkommission werde sich mit »den bestehenden Regularien zu den Nebenbeschäftigungen und deren Auslegungspraxis« befassen.

Der Gärtner als Gemeinderat

Die Usancen im ORF-Landesstudio Niederösterreich kennt Weißmann aus erster Hand, er startete dort einst seine Karriere. Auf die Kommission wartet jedenfalls eine Menge Arbeit. So berichtete der Falter vor kurzem auch über Katharina Sunks Kollegin, die ORF-Niederösterreich-Frontfrau Nadja Mader, die von den ÖBB, von Rewe und von Raiffeisen für Moderationen gebucht wurde und sich, wie der Standard schreibt, »im Web ihrer Tätigkeit für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) rühmte«.

­Johannes Käfer wiederum gibt dem Publikum von ORF Niederösterreich regelmäßig Garten-Tipps – und stellte im Landtagswahlkampf sein Gesicht für ÖVP-Wahlwerbung bereit. Kein Wunder: Der Gärtner ist Gemeinderat der ÖVP in Gresten im Mostviertel.

Während die Nebenbeschäftigungen von Katharina Sunk, Nadja Mader und Robert Ziegler im Widerspruch zum ORF-Verhaltens­kodex stehen, ist die Sache bei Claudio Sunk, Vera Russwurm und Johannes Käfer komplizierter. Zur Erinnerung: Weil sie freie Mitarbeiter·innen sind, könne man ihnen Nebenjobs nicht verbieten, so die Argumentation. Doch auch da ist man nicht immer konsequent.

Im Radiobereich – wo die Honorare im Vergleich zum Fernsehen niedriger sind und viele prekäre Dienstverhältnisse bestehen – geht der ORF mitunter rigide vor. Davon weiß DOSSIER aus eigener Erfahrung zu berichten: Als wir eine bekannte Radiostimme zum Einsprechen eines Spots für unsere Mitgliederveranstaltung, das DOSSIER-­Hinterzimmer, engagieren wollten, wurde ihr das vom ORF mit Verweis auf die Nebenbeschäftigungsregeln untersagt. Beim ORF scheinen Paralleluniversen zu existieren, wie ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher in der Ö1-Sendung Doublecheck im Februar 2023 vermittelte. Angesprochen auf das Prekariat im Radiobereich, konterte die Ex-ZiB-Moderatorin, dass es viele ORF-Leute gebe, die zufrieden seien, als »fixe Freie« zu arbeiten. Als Beispiel nannte sie Robert Kratky, den Moderator des Ö3-Weckers, der meistgehörten landesweiten Radiosendung Österreichs. 

Auf der Website der Robert Kratky Event Marketing GmbH heißt es: »Seit 1995 ist unser Team als selbstständiger Dienstleister und in Zusammen­arbeit mit hervorragenden Partnern aus der Kreativ­industrie für einige der erfolgreichsten Marken und Institutionen in Österreich tätig.« Ein Auszug der ­Kratky-Kunden: Rewe, Raiffeisen, Nespresso, die Wirtschaftskammer Österreich, das Bundesheer. 

Für Claudio Sunk könnte Kratky eine Art Vorbild gewesen sein – obgleich der Radiomoderator aus Niederösterreich den Ö3-Star in puncto Auftragsarbeiten längst abgehängt hat. »2022 waren 55 Stunden Streamers-Produktionen im ORF«, verkündet Claudio Sunk auf seiner Firmen-Website stolz: von Livestreams von Sportevents bis hin zu Mini-Serien, die im Anschluss an Niederösterreich heute on air gingen. Kurze, rund einminütige Werbeclips, die Streamers fast wie am laufenden Band produziert. Finanziert vom Land, von der Wirtschaftskammer, von der Industriellenvereinigung. Niederösterreich hin, freier Mitarbeiter her – das riecht dann doch stark nach Unvereinbarkeit. Ob man die Sunks nun kennt oder nicht.