Nicht nur »die anderen«

Für diese Ausgabe haben wir uns unter anderem kritisch mit der Barrierefreiheit der ORF-Berichterstattung auseinandergesetzt. Doch wie barrierefrei ist DOSSIER selbst? Ein Befund.

ORF27.3.2023 

Medien sind zur Barrierefreiheit verpflichtet. Das ist seit 2006 im Bundes-Behindertengleichstellungs­gesetz geregelt. Aber nur wenige sind auch tatsächlich barrierefrei – Österreichs Leitmedium ORF etwa hat Aufholbedarf. So ehrlich muss man sein, das gilt auch für DOSSIER. Ein paar Beispiele aus Sicht der inklusiven Redaktion Andererseits.

Blinde und manche sehbehinderte Menschen können in der Regel wenig mit Printmagazinen anfangen. Immerhin gibt es die DOSSIER-Geschichten auch auf der Website zu lesen. Doch sie ist nicht gemäß den Standards für barrierefreies Lesen programmiert und wurde weder auf Barrierefreiheit getestet noch im Laufe der Jahre angepasst. Auch wenn die Online-Artikel von einer Screenreader­-Software vorgelesen werden können, ist der Weg dorthin über die Seitennavigation voller Hindernisse. Außerdem werden Bilder, Grafiken und Illustrationen nicht durch Alternativtexte beschrieben, sodass sie von Screenreadern nicht erkannt und vorgelesen werden können. Was zu sehen ist, bleibt somit unklar.

Gerade bei datenjournalistischen Geschichten, wie DOSSIER sie gerne macht, kann das eine Recherche mitunter vollkommen unverständlich für jene machen, die Screenreader nutzen. Das Gleiche gilt für Bilder, die DOSSIER auf seinen Social-Media-Kanälen postet: Auch hier fehlt der Alternativtext. Zumindest die Videos sind in der Regel untertitelt, was Barrieren für gehörlose und schwerhörige Menschen reduziert. Doch auch für sie entstehen Hürden, wenn es etwa die einzelnen Podcastfolgen nicht zusätzlich als Transkript zum Nachlesen gibt.

Ganz zu schweigen von Medienkonsument·innen mit intellektueller Beeinträchtigung: Klar, DOSSIER versucht, komplexe Recherchen so einfach wie möglich wiederzugeben. Damit aber jene mit intellektueller Beeinträchtigung die Artikel verstehen können, sollten Zusammenfassungen gemäß den Kriterien für Leichte Sprache geschrieben oder zumindest stärker auf einfache Sprache gesetzt werden.

Diese Beispiele zeigen: Menschen mit Behinderung können wenig bis kaum an den Inhalten von DOSSIER teilhaben und werden davon ausgeschlossen – nicht nur digital, sondern auch bei öffentlichen Veranstaltungen. Weder die viertel­jährlichen Mitgliederveranstaltungen noch die Seminare der DOSSIER-Academy werden mit Gebärdensprachdolmetsch begleitet. Rollstuhlgerecht sind die Veranstaltungsorte auch nicht immer. Barrierefreiheit hat eben viele ­Facetten – und DOSSIER noch viel zu lernen.

Emilia Garbsch »Andererseits«

Und jetzt?

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Die ­Analyse unserer Website und anderer ­DOSSIER-Angebote macht unseren Nachholbedarf deutlich. Daran wollen wir in den kommenden Monaten arbeiten. Barrierefreiheit ist ein Prozess – und beansprucht Zeit und Geld. Beides wollen wir aufwenden, um inklusiver zu werden. Wir wissen jetzt, welche Hürden es zu beseitigen gilt – und so sieht unser Plan dafür aus.

In einem ersten Schritt wollen wir unsere Website optimieren. Gemeinsam mit einer Programmiererin oder einem Programmierer werden wir uns daranmachen, die sogenannten Web Content Accessibility Guidelines, die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte, so gut wie möglich umzusetzen. Die Umstellung soll die Navigation für Screenreader-Programme erleichtern und visuelle Kontraste verstärken.

Zudem nehmen wir uns vor, unsere Arbeitsabläufe so umzustellen, dass wir standardmäßig Alternativtexte zu Bildern, Grafiken und Illustrationen verfassen – auf der ­DOSSIER-Website und in den sozialen Medien. Wir haben im Austausch mit der Andererseits-­Redaktion aber auch gelernt, dass man bei der Barrierefreiheit nicht zu viel versprechen darf. Das ist für Betroffene nämlich mitunter frustrierend, weil sie nach der Ankündigung entweder nur sporadisch Inhalte angeboten bekommen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Oder aber manche Hindernisse aus Mangel an Ressourcen gar nicht behoben werden.

Auch bei DOSSIER gibt es nicht für jedes Pro­blem sofort eine Lösung: Das betrifft etwa ­unsere Podcasts. Um unsere Audioformate barrierefreier machen zu können, benötigen wir Transkripte. So könnten gehörlose und schwerhörige Menschen das Gesagte lesen. Die Podcasts zu transkribieren ist allerdings arbeitsintensiv – Abhilfe könnte eine geeignete Software schaffen. Diese müsste allerdings die Inhalte auch richtig wiedergeben. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir leider nur sagen: Wir arbeiten daran.

Auch die Empfehlung, einfache Sprache zu verwenden, ist eine ständige Herausforderung für uns. Schon ganz grundsätzlich ist es die Aufgabe von Journalist·innen, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und darzustellen. Dennoch kämpfen wir oft damit. Wir nehmen die Kritik von Andererseits zum Anlass, uns mehr zu bemühen, dazuzulernen und verständlicher zu werden. Das fängt damit an, kürzere Sätze zu schreiben und auf Fachausdrücke zu verzichten – beides sollte ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein. Vielleicht gelingt es uns auch, eigene Textformate zu entwickeln, in denen die wichtigsten Informationen der Recherche knapp und verständlich vermittelt werden. ­Investigativ und inklusiv – diesem Anspruch wollen wir gerecht werden. 

Sahel Zarinfard DOSSIER

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