Koloniale Sünde

Jüngst holte Kanada ein dunkles Kapitel seiner Geschichte ein: In einem ehemaligen Heim war ein Massengrab mit den Überresten von hunderten indigenen Kindern entdeckt worden. Was hierzulande wenige wissen: Auch der ÖSV machte sich einst zum Komplizen der Kolonialisierung.

Text: Florian Skrabal

ÖSV17.6.2021 

Aufmacherfoto: Hans Klaus Techt / APA / picturedesk.com, Artwork: DOSSIER

Es war ein entsetzlicher Fund, über den Ende Mai Medien auf der ganzen Welt berichteten. In Kanada wurden auf dem Gelände eines ehemaligen katholischen Internats für Kinder von Indigenen die sterblichen Überreste von 215 Kindern gefunden, ein Massengrab. Wie die Kinder ums Leben kamen, wird derzeit untersucht. Das Heim nahe der Stadt Kamloops in der Provinz British Columbia war im Jahr 1890 eröffnet und 1970 geschlossen worden. 

Es war eine von insgesamt 139 sogenannten residential schools, die nach der Staatsgründung Kanadas (1867) errichtet wurden, um Kinder von Indigenen zur Anpassung an die Gesellschaft der weißen Einwanderer zu zwingen. Mehr als 150.000 indigene Kinder wurden von ihren Familien, ihrer Kultur, ihrer Sprache getrennt. Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt und sexuell missbraucht. Laut einem Bericht des Nationalen Zentrums für Wahrheit und Versöhnung (NCTR) starben mindestens 4.100 Kinder in kirchlicher bzw. staatlicher Obhut, viele gelten bis heute als vermisst.

2008 entschuldigte sich Kanadas damaliger Premierminister Stephen Harper bei der indigenen Bevölkerung für eine Politik, die darauf angelegt gewesen sei, „den Indigenen im Kind zu töten“. Sie seien Opfer eines „kulturellen Genozids“, wie eine Untersuchungskommission des NCTR im Jahr 2015 feststellte. Der Schatten von Kanadas Kolonialgeschichte ist groß. Neben der Umerziehung spielte die Enteignung beziehungsweise die Vertreibung indigener Völker eine zentrale Rolle in der Kolonialisierung – so auch in und rund um Kamloops.

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