Kaum eine Stunde war seit dem Ende der Länderkonferenz vergangen, schon war etwas anders. Wochenlang hatten sich die Präsidenten der Landesskiverbände, die das höchste Gremium des ÖSV bilden, öffentlichkeitswirksam um die Nachfolge von Langzeitpräsident Peter Schröcksnadel gestritten. Alles vergessen.
Nun stellten sich die Vizepräsidenten des ÖSV hin und erzählten von der großartigen Stimmung in der Sitzung, der einstimmigen Wahl des neuen Präsidenten Karl Schmidhofer und den vielen Vorhaben, die sie „nun umsetzen“ würden. Zuvor waren andere für den Präsidentenposten gehandelt worden.
Michael Walchhofer? Renate Götschl? Oder doch ein anderer? Zunächst hatte Schröcksnadel den Olympiasieger und Ex-Präsidenten des Vorarlberger Skiverbandes, Patrick Ortlieb, favorisiert. Doch der kam ihm wegen dessen Abgeordnetenzeit für die FPÖ abhanden. Der Präsident des Kitzbüheler Skiclubs, Michael Huber, sagte ab, ebenso der Vorstand des Versicherers und ÖSV-Partners Uniqa, Klaus Pekarek.
Walchhofer outete sich mit einem Konzept, das für Schröcksnadel keine Rolle mehr vorsah, dann zog der Alte Götschl aus dem Hut. Sie hätte Schröcksnadels letzter Wille sein sollen. Doch es kam anders. Der Kompromiss: Karl Schmidhofer. Bereits im Mai wurde er als 22. ÖSV-Präsident designiert, der erste Nichttiroler an der Spitze des Verbandes.
Vergangenes Wochenende ging am Ufer der Drau die Zeit Peter Schröcksnadels als ÖSV-Chef nun ganz offiziell zu Ende. Kurz hielt er noch eine als Bild eingerahmte Startnummer in die Kameras, er links, Schmidhofer rechts. Dann war er weg. „Pfiat eich.“ Winke, winke. Ging aus dem Saal, um die Ecke. Weg vom ÖSV.
Mehr Transparenz?
Und als sich die Tür des Saals des Villacher Hotels öffnete, redeten die Funktionäre mit den Leuten draußen. Vorbei die ewigen Verweise auf Schröcksnadel. „Wir“ hörte man öfter, und von der Zukunft war die Rede – und davon, dass man sich das „jetzt alles anschauen“ werde.
Das Budget zum Beispiel und dessen Veröffentlichung, die man ja am Freitag beschlossen habe. Wie unsere Recherchen zeigen, ist der ÖSV wesentlich intransparenter als andere Skiverbände.
Keine zwei Stunden später sitzt Schmidhofer in der Hotellobby und gibt DOSSIER ein Interview. Sein Vorgänger hat trotz mehrfacher Anfragen nie mit uns gesprochen. Schmidhofer hat seinen ersten kleinen Rundkurs bereits hinter sich. Pressekonferenz, TV-Interviews, gestellte Fotos, viel lächeln und das Erbe von Peter Schröcksnadel loben.
Die Interessenkonflikte seines Vorgängers, etwa in Form von Mehrfachbuchungen von Sponsoren wie zum Beispiel Audi beim ÖSV und bei Schröcksnadels Firma Sitour, sind für ihn „kein Thema“. Vielleicht ist ihm das „System Schröcksnadel“ noch nicht geläufig: „Ich werde mir das anschauen.“
Der sportpolitische Filz, die intransparente Sportförderung, die Verquickung von Fördergeber und Fördernehmer in der Person des ehemaligen ÖSV-Präsidenten – all das kennt Schmidhofer noch nicht. „Ich bin nicht im Filz“, sagt er. Aber eines steht fest. Das dreifach geprüfte Verbandsbudget werde demnächst veröffentlicht: „Das haben wir beschlossen.“
Wer ist der Neue?
Der gebürtige Steirer ist wie sein Vorgänger ein erfolgreicher Geschäftsmann, er hat Lifte saniert, Beteiligungen verkauft und sich damit von Einnahmequellen unabhängig gemacht. „Ich kann mir das leisten“, sagt der heute 59-Jährige, der die ehrenamtliche Funktion des ÖSV-Präsidenten übernimmt.
Der Skizirkus ist ihm nicht ganz fremd. Der Onkel von Super-G-Weltmeisterin Nicole Schmidhofer (2017) war laut Vereinsregister von 2009 bis 2013 Finanzreferent des Steirischen Skiverbandes, seit 2018 diente er dem Landesverband als Präsident – wo ihm übrigens Renate Götschl nachfolgen wird.
Schmidhofer war geschäftsführender Gesellschafter des Skigebiets Lachtal nahe seiner Heimatgemeinde Scheifling. Ebenso am Kreischberg. Interimistisch führte er unter anderem auch die Geschäfte am Hauser Kaibling bei Schladming. Laut Firmenbuch ist seine derzeit einzige aktive Funktion ein Aufsichtsratsmandat in der Steirischen Tourismus GmbH.
Ein Sacharbeiter sei er, in einem Dorfwirtshaus aufgewachsen, die Eltern Gast- und Landwirte. „Dort war alles, von der Musikprobe über die Verhandlung von Wegstreitigkeiten. Die Vieh- und die Holzhändler haben bei uns verhandelt.“ Schmidhofer erlernt den Beruf Restaurantfachmann und steigt zum Geschäftsführer eines Hotels auf. Auch in die Politik zieht es ihn früh.
Mit 18 gründet er in Schönberg-Lachtal eine Ortsgruppe der Jungen ÖVP und zieht mit 25 in den Gemeinderat ein, wie er in einem Interview mit der Kleinen Zeitung erzählte. Schmidhofer arbeitet sich in der Partei nach oben. 2013 wird er Bezirksparteiobfrau-Stellvertreter der ÖVP Murau, 2017 steigt er in den Ring um ein Nationalratsmandat, mit einem besonderen Kennzeichen.
Schmidhofer lässt sich im Wahlkampf das Kennzeichen MU-KURZ 1 auf seinen BMW montieren und sammelt 4.424 Vorzugsstimmen. Doch für den Einzug ins Hohe Haus reicht es nicht. Noch nicht. Denn eineinhalb Jahre später verstirbt die steirische ÖVP-Nationalratsabgeordnete Barbara Wolfgang-Krenn, Schmidhofer übernimmt ihr Mandat.
Seine parlamentarischen Aktivitäten sind überschaubar. In der laufenden Gesetzgebungsperiode brachte er seit Oktober 2019 einen Antrag (KMU-Förderungsgesetz) und eine mündliche Anfrage ein. In 15 Plenarsitzungen meldete er sich zu Wort, zuletzt im Mai, kurz nach seiner inoffiziellen Bestellung zum nächsten ÖSV-Präsidenten.
„Ich habe Ja gesagt. Wissen Sie, damit das auch klar ist, was ich dafür eintausche? Ich bin Nationalratsabgeordneter – jeder weiß, was er jeden Monat auf seinem Lohnzettel stehen hat –, ich wechsle in ein Ehrenamt mit null Bezahlung“, sagte der Abgeordnete. Schmidhofer kündigte an, sein Mandat im September zurücklegen zu wollen, für eine „unpolitische Amtsführung“ und „zum Wohle des Sports“, wie er in Interviews sagte.
Er möchte seine „ganze Arbeitskraft“ in den Dienst des Verbandes stellen, sagt er auch zu DOSSIER.
Er wird in der Austria Ski Team und Handels GmbH, einer Art Holding im Firmennetz des ÖSV, einen Aufsichtsrat einrichten. Die Wirtschaftskontakte werden ihm als Liftmanager und -sanierer helfen, die Sportpolitiker der Länder wird er kennenlernen.
Geld aufstellen, Sponsoren, Förderungen, das wird das Hauptgeschäft. Die vielgliedrige Struktur des ÖSV mit seinen zahlreichen Events, Ausbildungsstätten, Kadern, Beschäftigungen wird ihm einiges abverlangen. Der erste sportliche Test wartet im kommenden Winter: Olympia 2022 in Peking.
Es werden wohl die ersten Winterspiele seit drei Jahrzehnten ohne die legendäre rote Pudelmütze, die sein Vorgänger Peter Schröcksnadel stets trug. Auf Schmidhofers Wintergarderobe darf man gespannt sein. Unwahrscheinlich ist, dass er wie sein Vorgänger mit dem Logo seiner Privatfirma werben wird. Schmidhofer besitzt derzeit kein Unternehmen.