DOSSIER: „Fellnerismus“ gilt als prägende Bezeichnung für Wolfgang Fellners journalistisches beziehungsweise mediales Wirken. Sie haben den Begriff erfunden. Wie kam es dazu?
Thurnher: Schon Fellners erstes Magazin, der Rennbahn-Express, ist mit einer Symbiose aus Politik, Inseratengeschäften und passenden Geschichten aufgefallen. Fellnerismus ist eine meiner Wortkreationen, mehrere Faktoren zeichnen ihn schon vor dem Erscheinen eines Mediums aus: Durch die Vorberichterstattung und die Art der Promotion wird einerseits die Werbebranche eingebunden, andererseits bindet Fellner auch die Politik ein. Und Fellner bläst sein Medium irrsinnig auf und erzielt damit einen kosmisch-komischen Effekt, den man eigentlich nur als Fellnerismus bezeichnen kann.
Abogeschenke und Gewinnspiele sind bei Fellner-Medien gern verwendete Mittel. Warum setzt Fellner so stark darauf?
Es wurde gewitzelt, dass Wolfgang Fellner ein Elektrohändler mit angeschlossener Zeitschrift sei. Fellner war nach Kurt Falk der Zweite, der das in Österreich eingeführt hat: mit Geschenken hohe Reichweiten zu erzielen. Und hat ein Medium eine hohe Reichweite, gilt es im österreichischen Denken als politisch mächtig. Es war Fellner, der dieses Denken stark in den politischen Köpfen verankert hat. So war es für Politiker eine große Versuchung, mit Fellner zu kooperieren. Fellnerismus ist also auch eine Geschäftstaktik, journalistische Großsprecherei plus Übertreibung bis hin zur Fälschung. Gleichzeitig ist er die Verleihung von Prominenz und das Schaffen von sozialen Anlässen, wo man diese Prominenz immer wieder bestätigt – ein sich selbst generierender Zyklus.
Welche Rolle spielt der Journalismus bei Fellners Medien?
Journalismus stellt eigentlich nur eine gewisse Funktion innerhalb größerer Geschäftsfelder dar – dem Immobiliengeschäft, den Reisefirmen, seinem ganzen Imperium. Das ist nicht das, was wir unter Journalismus verstehen, sondern was man früher unter jenen Flächen verstanden hat, die man anderen verkauft hat – Werbung. Bei Fellner ist Journalismus damit eins geworden, das ist ein wesentliches Element des Fellnerismus.
Viele ehemalige Mitarbeiter loben Fellners gutes journalistisches Gespür. Gibt es noch andere positive Eigenschaften Fellners für Sie?
Er ist in Kombination mit seinem Bruder ein äußerst erfindungsreicher Geschäftsmann – sonst könnte man eine Tageszeitung, die offensichtlich nicht kommerziell lebensfähig ist, nicht so lange erhalten. Das ist ein Talent, das ich bewundere.
Gibt es abgesehen von der Reichweite noch andere Aspekte, wie das System Fellner und die Politik zusammenspielen?
Fellner stellt sich gerne dar, als wäre er der Chefberater aller Chefberater. Einer, der eigentlich immer ganz genau weiß, wie es geht. Er spielt seinen Einfluss hoch und bietet unterschwellig gute Meinungsmache im Gegenzug für Inserate an. Das ist die Botschaft seiner Kommentare.
Auch im Umgang mit Menschen ist Fellner in seiner Berichterstattung nicht zurückhaltend.
Ja, da wird ohne Rücksicht vorgegangen. Genauso wie beim sogenannten Retorsionsjournalismus, was so viel bedeutet wie: Wir schlagen zurück! Wenn ich Fellner kritisiere, dann muss ich damit rechnen, dass ich mit einer persönlichen Geschichte angegriffen werde. Dabei wird versucht, die betreffende Person persönlich zu vernichten. Das ist schon mehrmals passiert.