Informant Werner F.

Wie der Ex-Kanzler „Österreich“ mit Informationen und Inseraten versorgte und bis zuletzt gute PR bekam.

»Österreich«8.9.2016 

„Griaß di, Werner, servas“ – Wolfgang Fellner geht in der Redaktion seiner Tageszeitung auf und ab. Bei wichtigen Telefonaten soll er oft beim Fenster stehengeblieben sein. Dort sei der Empfang am besten, sagt ein ehemaliger Österreich-Journalist. Dass er gerade mit dem Bundeskanzler telefoniert und manche in der Redaktion mithören können, scheint den Herausgeber nicht zu stören.

Weil ich mitten in der Redaktion über geheime, informative Geschichten mit dem Bundeskanzler telefonieren würde. Mitten aus dem Newsroom. Na bitte, das ist so lächerlich. Ich habe zum Herrn Bundeskanzler Faymann ein gutes Verhältnis gehabt. Ich hatte seine Handynummer. Ich habe ihn sicher ein oder zwei Mal im Monat angerufen, wenn irgendwelche Fragen waren oder man versucht hat, Informationen oder Statements zu bekommen. Aber, dass er ein Informant von mir gewesen sei, ist absurd – und falsch.

Faymann und Fellner. Die Geschichte dieses Duos geht weit zurück; bis in die Zeit, als die beiden noch Schülerzeitung gemacht haben. Fellner das später erfolgreiche Magazin Rennbahn-Express, Faymann das Spukschloss Henrietta. Seit 1974 kenne er Faymann, sagte Fellner vor knapp zwei Jahren anlässlich seines 60. Geburtstages zur Nachrichtenagentur APA: „Aus dieser Zeit bin ich logischerweise per Du mit ihm, weil man halt als 15-jähriger nicht per Sie war. Ich habe eine halbwegs brauchbare Gesprächsebene zum Kanzler, die über das Berufliche nicht hinausgeht.“

Hier untertreibt der sonst so dick auftragende Zeitungsmacher. Die Beziehung der beiden scheint nicht ganz so eng gewesen zu sein wie jene, die Faymann einst zum Gründer der Kronen Zeitung hatte; dem 2010 verstorbenen Hans Dichand, der einst öffentlich bestreiten musste, Faymanns Onkel zu sein. Zu hartnäckig hatte sich das Gerücht zuvor gehalten.

Außer Zweifel steht, wie gut die Geschäfte liefen, von denen beide gleichermaßen und jahrzehntelang profitiert haben – auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Auf der einen Seite der Politiker mit den riesigen Anzeigenetats, zuerst aus dem Wiener Wohnbauressort, später dem Verkehrsministerium und schließlich dem Bundeskanzleramt. Auf der anderen Seite der Medienmacher mit seiner publizistischen Macht. Die jeweilige Währung: Inserate beziehungsweise Informationen.

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Der heiße Draht 

Als kurz nach dem Start von Österreich der Nationalrat im Oktober 2006 neu gewählt und der damalige Wiener Stadtrat zum Bundesverkehrsminister wird, „war schnell klar, dass Faymann der beste Informant war, wenn es um die Regierung ging“, erzählt ein ehemaliger Redakteur aus dem Innenpolitik-Ressort von Österreich. „Intern war klar, dass Fellner viele Informationen über diese Schiene bekommen hat“, sagt ein anderer. Als „Mischung aus Zweckverbindung und Vertrautheit“ beschreibt der langjährige Fellner-Wegbegleiter Christian Nusser das Verhältnis der beiden Männer. Von 2007 bis 2012 war Nusser Chefredakteur bei Österreich, seither arbeitet er bei der Konkurrenz, der Gratiszeitung Heute

„Es kursieren dutzende Geschichten, dass sich Faymann belebend auf das Inseratengeschäft bei ,Österreich‘ ausgewirkt hat“, sagt Nusser, belegen könne er das aber nicht. DOSSIER schon. Nach Faymanns Wechsel in die Bundesregierung schießen die Inserate des Verkehrsministeriums von drei Seiten im Jahr 2007 auf 43 Seiten im Jahr 2008 nach oben – der „Faktor Faymann“ ist wieder da, fast in identischer Ausprägung, wie ihn DOSSIER einst bei der Gratiszeitung Heute gefunden hat. Wie wichtig Faymanns Inserate für Fellner damals gewesen sein dürften, erzählen zwei ehemalige Mitarbeiter unabhängig voneinander: Österreich sei es wirtschaftlich nicht gut gegangen, Faymann habe geholfen, dass es weitergeht.

Inserate allein hätten im Gegenzug aber nicht automatisch zu positiver Berichterstattung geführt, erzählen ehemalige Mitarbeiter. Bei großen Skandalen oder wenn Fellner mit gewissen Dingen nicht einverstanden gewesen sei, sei auch die sozialdemokratische Partei kritisiert worden. Mit einer Ausnahme, sagen sie: bei Wahlen. Da durften Redakteure nicht mehr SPÖ-kritisch schreiben, der Ton sollte der Partei helfen: „Was Wien betrifft, will ich kein kritisches Gesäusel sehen“, soll Fellner gesagt haben. Inhaltlich soll er die Richtung und Gesprächspartner vorgegeben und kritische Punkte aus Artikeln selbst gestrichen haben. „Eine frei erfundene Lüge“, nennt das Wolfgang Fellner im Gespräch mit DOSSIER.

Einen wissenschaftlichen Beleg für die Wechselwirkung von Inseraten und positiver Berichterstattung fanden die Politologen Lore Hayek und Günther Lengauer in ihrer Untersuchung „Machen Inserate den Ton?“: Ähnlich wie bei der Tageszeitung Heute seien im Nationalratswahlkampf 2008 jene Akteure mit höheren Inseratenschaltungen von Österreich „tendenziell vorteilhafter vermittelt“ worden. Der Spitzenkandidat der SPÖ hieß damals: Werner Faymann.

Am Rande des Legalen

Wie dubios die Deals um jene Zeit waren, als Faymann an die Spitze der Republik aufstieg, brachten Abgeordnete des Nationalrats 2012 in einem Untersuchungsausschuss zum Vorschein. Es ist ein Sittenbild, das einen Namen trägt: Korruption, also der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil. So wie etwa der Ausschnitt aus einem Protokoll aus der Unternehmenskommunikation der staatlichen Asfinag, die damals Faymanns Ressort unterstand, zeigt:

Demnach haben leitende Mitarbeiter der Asfinag mit Wolfgang Fellner besprochen, dass das Unternehmen bei Inseratenaufträgen nicht selbstständig entscheidet, sondern das Kabinett des Ministers mitzureden hat.

Wie eng die Zusammenarbeit zwischen Ministerbüro, der staatlichen Asfinag und Österreich zum damaligen Zeitpunkt ist, zeigt folgender Fall: Die Asfinag bucht eine 16-seitige Beilage im Wert von 164.160 Euro – nur einen Tag vor deren Erscheinen. Das ist sehr ungewöhnlich. Denn wie Anzeigenverkäufer zu DOSSIER sagen, braucht es für die Produktion der Inhalte einer solchen Beilage normalerweise eine Vorlaufzeit von mehreren Tagen. „Es ist also klar“, schreiben auch die Grünen in ihrem Bericht, „dass dieses Angebot und eine allenfalls darauf beruhende Bestellung nicht Auslöser für die Herstellung der Beilage gewesen sein“ könnten. Der zuvor zitierte Aktenvermerk eines Asfinag-Mitarbeiters legt nahe, dass der Auftrag für die Beilage nicht von der Asfinag selbst initiiert wurde, sondern durch das Kabinett des Ministers.

Wegen ähnlicher Vorwürfe im Zusammenhang mit Inseraten der ÖBB ermittelte in der sogenannten Inseratenaffäre die Staatsanwaltschaft gegen den damals amtierenden Bundeskanzler und andere Personen. Offiziell wurde das Verfahren 2013 eingestellt – jedoch mit einer fragwürdigen, weil widersprüchlichen Begründung. Auf eine umfassende Erklärung vonseiten der Staatsanwaltschaft wartet die Republik – trotz einer solchen Ankündigung – bis heute. Werner Faymann war für DOSSIER bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Politiker und dem Zeitungsmacher lief jedenfalls noch jahrelang weiter: Fellners Zeitung bekam Geld in Form von Inseraten. Und Faymann, der konnte über die Dauer seiner Amtszeit auf gute PR aus dem Hause Fellner zählen.

Der lange Abschied

Als „Austro-Obama“ bezeichnete der Österreich-Herausgeber Faymann einst in einem seiner Kommentare. Heute sagt Fellner, das sei „Blödsinn“ gewesen, den er da einmal geschrieben habe. Wie sehr sich seine Zeitung für Faymann ins Zeug legt, zeigen vor allem die Wochen im Frühjahr 2016. Es ist eine schwierige Zeit für den Kanzler. Seit der Schlappe für seine Partei im ersten Durchgang der Bundespräsidentenwahl kämpft er um sein politisches Überleben.

Dabei steht Österreich Faymann zur Seite. Fellner kommentiert wie am laufenden Band: „Die SPÖ hat in Wahrheit zu Werner Faymann keine Alternative“ (27.4.2016), „Nur Kanzler kann die SPÖ retten“ (28.4.2016), „Der Nachfolger von Werner Faymann heißt ... Werner Faymann“ (7.5.2016). Zwei Tage später folgt der Knall: Aus und vorbei, Bundeskanzler Faymann tritt zurück. Manches kann nicht einmal Wolfgang Fellner retten.