Fellners Briefkasten: die Suite 200

2004 erfüllt sich Wolfgang Fellner einen Traum: eine Villa in Malibu, gekauft über eine Offshore-Firma.

»Österreich«13.9.2016 

Es ist halb fünf Uhr morgens, als in einer Villa an der Westküste der USA das Telefon läutet. Österreichs Regierungschef ruft an, er überbringt die Nachricht persönlich: Vor einer Stunde hat er in Wien seinen Rücktritt erklärt, nach wochenlangem politischen Überlebenskampf. Nun hat Werner Faymann einen Vertrauten am Apparat, einen alten Bekannten, der gerade in Malibu weilt. Es ist Wolfgang Fellner, der das „1. Interview“ nach Faymanns Abgang führt, wie tags darauf, am 10. Mai 2016, in der Tageszeitung Österreich zu lesen sein wird.

Am Strand des Pazifischen Ozeans, mitten unter den Reichen und Schönen, den Stars Hollywoods, hat es sich Fellner eingerichtet. Vier bis fünf Mal im Jahr soll sich der Herausgeber hier aufhalten, auch an diesem Morgen ist er über eine eigene Leitung mit dem Redaktionssystem verbunden. Hinter hohen Mauern liegt sein rund 11.000 Quadratmeter großes Anwesen. Einst Eigentum von Hollywood-Regisseur Steven Spielberg, dann im Besitz von Stanley Winston, einer anderen Filmgröße.

Die Special-Effects des vierfachen Oscar-Gewinners Winston brachten die Dinosaurier in „Jurassic Park“ und den „Terminator“ mehrfach zum Leben. Heute gehört die 1955 errichtete Villa mit Meerzugang dem Medienmacher aus der Rennbahn-Siedlung in Salzburg: fünf Schlaf-, vier Badezimmer, eine Sauna, ein Whirlpool, ein beheizbares Pool – und mehr, wie in einer Immobilienannonce zu lesen ist. Ab 35.000 US-Dollar vermietet Fellner das Anwesen, wenn er selbst nicht da ist. Im Monat. 

Seit seiner Zeit an der US-Eliteuniversität Stanford habe er davon geträumt, „ein Haus in Kalifornien“ zu besitzen, sagt Fellner im Interview mit DOSSIER. 2004 hat er sich diesen Traum erfüllt. Ein Grundstück und 10.250.102 US-Dollar wechseln damals Besitzer – und obwohl er es heute „sein Haus“ nennt, will Fellner mit der Firma, die in den offiziellen Dokumenten als Eigentümerin aufscheint, nichts zu tun haben. Vielleicht deshalb, weil die Firma in der US-Steueroase Delaware sitzt.

Über Delaware nach Malibu

Diese Geschichte beginnt nicht erst in Malibu. Am 12. November 2003 registriert ein gewisser Gary Tannenbaum eine Firma, deren Adresse: Suite 200, 103 Foulk Road in Wilmington, eine kleine Stadt an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Tannenbaum ist Anwalt, spezialisiert auf „Wealth Preservation“ und „Real Estate Tax Planning“, kurz: Steueroptimierung. Dutzende Firmen haben in Suite 200 ihren Sitz, es ist ein Briefkasten – nichts Ungewöhnliches für Wilmington. Die Stadt liegt im US-Bundesstaat Delaware, und der gilt laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung als „Eldorado für dubiose Briefkastengesellschaften".

Aus zwei Gründen: Zum einen zahlt man in Delaware weniger Steuern als in den meisten anderen US-Bundesstaaten. Zum anderen machen es einem Delawares Gesetze sehr leicht, rasch und anonym eine Firma zu gründen. Dass in den Panama-Papieren, die im Frühjahr dieses Jahres Steuertricks der Superreichen aufgezeigt haben, bisher kein prominenter Amerikaner aufgetaucht ist, liegt auch an Delaware: Der Bundesstaat ist US-Territorium.

Wie DOSSIER-Recherchen zeigen, registriert Anwalt Tannenbaum im November 2003 die Fellner Media USA LLC, eine Limited Liability Company (LLC); eine Unternehmensform, die es so in Österreich nicht gibt: Je nach Ausgestaltung kann sie entweder eine Kapital- oder eine Personengesellschaft sein, was sich wiederum darauf auswirkt, wie diese steuerlich einzuordnen ist. Aus der Gründungsurkunde geht das nicht hervor. 

Es ist nicht einmal einsehbar, wer den Mittelsmann, Anwalt Tannenbaum, beauftragt hat, damals die Firma zu gründen. Auch eine Verpflichtung, Jahresabschlüsse des Unternehmens zu führen oder diese gar zu veröffentlichen, besteht in Delaware nicht. Einzig der Firmenname lässt vermuten, dass ein (oder mehrere) Fellner dahinterstecken.

Dieser Hinweis verschwindet bald. Am 3. August 2004 ändert Anwalt Tannenbaum den Firmennamen, fortan heißt die Fellner Media USA LLC Pacific Highway Sunshine LLC. Eine Immobilientransaktion ist im Gange – und es zeigt sich ein weiterer Vorzug Delawares: Gary Tannenbaum faxt den Antrag auf Namensänderung um 13.22 Uhr an die Behörde, acht Minuten später ist diese im Firmenbuch vollzogen.

Noch am selben Tag bestätigen auf der anderen Seite des Kontinents die bisherigen Hauseigentümer Stanley Winston und dessen Frau, die Immobilie überschreiben zu wollen. Am 3. August 2004 unterzeichnet Winston einen sogenannten Grant Deed, eine notariell beglaubigte Überlassungsurkunde. Somit soll das Grundstück an die Pacific Highway Sunshine LLC, eine „Delaware Limited Liability Company“, gehen. 

Where is the problem?

Im Interview mit DOSSIER bestreitet Fellner, das Haus über eine Firma in Delaware gekauft zu haben:

Das stimmt überhaupt nicht. Die Firma sitzt in Kalifornien an der Adresse des Hauses. Der Anwalt Gary Tannenbaum sitzt in Delaware. Das Haus ist nichts Geheimes, da kann ja jeder hin. Das steht frei zur Vermietung. Also, where is the problem?

Das Problem ist, dass der Herausgeber nicht die Wahrheit sagt. Es stimmt: Das Haus ist nichts Geheimes. Und die Kanzlei des Anwalts Tannenbaums hat zumindest nicht ihren Hauptsitz, wohl aber eine Dependance in Delaware. Die Firma, die das Haus damals gekauft hat, diese sitzt aber nicht an der Adresse in Malibu, sondern an der Ostküste in Delaware.

Bis heute gehört die Immobilie der Pacific Highway Sunshine LLC, wie ein Mitarbeiter des Los Angeles County DOSSIER in einer E-Mail bestätigt. Sie hat eine Postadresse in Kalifornien. Aber nicht, wie Fellner sagt, an der Adresse des Hauses, sondern in Los Angeles. Warum, ist schnell erklärt.

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Aus den Grund- und Firmenbuchunterlagen, die DOSSIER vorliegen, geht hervor, dass Anwalt Tannenbaum die Pacific Highway Sunshine LLC aus Delaware im August 2004 unter exakt demselben Namen in Kalifornien anmeldet. Damit kann diese auch an der Westküste tätig werden, im Zweig „Real Estate Investments“.

Auch in den kalifornischen Dokumenten ist fortan von der Pacific Highway Sunshine LLC mit Sitz in Delaware die Rede, im September 2008 und im Jänner 2016. Als Chief Executive Officer scheint unter anderem Johanna Papp, eine Vertraute von Wolfgangs jüngerem Bruder, Helmuth Fellner, auf. Selbst Wolfang Fellner wird als Manager geführt. Die Adresse: abermals 103 Foulk Road, Wilmington, Delaware – der Briefkasten der Fellners.

„Abgabenoptimierte Gestionierung“

Nur knapp zwei Jahre zuvor, am 27.12.2001, ist nämlich genau dort, in der Suite 200, eine andere Firma registriert worden: die Immo 2000 USA, Inc. Erneut war Anwalt Gary Tannenbaum aktiv, erneut für einen unbekannten Eigentümer. Aber der Gesellschaftsvertrag der Immo 2000 USA, Inc., ist mit jenem der Fellner USA LLC fast deckungsgleich. 

2015 wird die Immo 2000 USA aufgelöst; erst jetzt taucht ein entscheidender Hinweis auf, wer hinter dieser Firma stecken könnte: Als „Director/President“ der Firma scheint Helmuth Fellner auf – und es ist von einem „einzigen Aktionär“ die Rede. War die Immo 2000 USA die Offshore-Firma von Helmuth Fellner, und hat dieser später seinem älteren Bruder geholfen, sich seinen Traum zu erfüllen?

Denn es bleiben zwei Optionen: Entweder die Villa gehört nicht Wolfgang Fellner –was überraschen würde. Oder es ist „sein Haus“, wie der Herausgeber schon öfters gesagt hat. Dann müsste ihm aber auch die Pacific Highway Sunshine in Delaware zuzurechnen sein.

Dabei wäre die wahrscheinlichste Variante jene über die „Wolfgang Fellner Privatstiftung“, deren Begünstigte sind: „Wolfgang Fellner und seine Familie“. Lediglich zwei Monate vor der Gründung der Offshore-Firma in Delaware, am 25. September 2003, wird der Paragraf 2 („Zweck, Mittelherkunft und Mittelverwendung“) der Stiftungsurkunde um einen Absatz erweitert: 

Der Stiftungszweck soll auch durch eine zugunsten der Stiftung, ihrer Beteiligungsgesellschaften und ihrer Begünstigten möglichst abgabenoptimierte Gestionierung erreicht werden.

Dass Delaware seine Vorzüge hat, wissen Österreichs Bürgerinnen und Bürger seit den Ermittlungen gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und dessen Freunde in der Causa Buwog, als Gelder über Zypern, Delaware und Liechtenstein flossen. 

Was Zeitungsmacher Fellner darüber denkt, hat er im Dezember 2011 in der Kolumne „Das sagt Österreich“ zum Ausdruck gebracht: Es sei ein starkes Stück, wenn ein Finanzminister ein Geflecht an undurchsichtigen Stiftungen und Treuhandfirmen unterhalte. Immerhin sollte Grasser ein Vorbild sein. Für Fellner und alle anderen gilt jedoch: „Natürlich kann jeder Österreicher sein Geld anlegen, wo er will.“ Die Suite 200 wäre da eingeschlossen.