Fellner schlägt zurück

Fellner schlägt zurück: Wie die Tageszeitung „Österreich“ mit Journalismus Vergeltung übt.

»Österreich«2.9.2016 

Wolfgang Fellner gefällt nicht, was er Anfang Juni 2016 in der Wochenzeitung Falter liest: ein Interview mit Christoph Chorherr, Gemeinderat der Grünen in Wien. Der Politiker spricht sich dafür aus, dass die Stadt Wien weniger Inserate schalten soll, allen voran in Boulevardzeitungen: „Ihr Geschäftsmodell ist es, Angst und Ressentiment zu verbreiten“, sagt Chorherr. Daher sein Vorschlag: „Man sollte Medien, die wiederholt und systematisch vom Presserat verurteilt werden, nicht auch noch mit Inseraten belohnen.“

Eine „Trottelidee“ findet Wolfgang Fellner, Herausgeber der Tageszeitung Österreich. Seit 2011 verstieß seine Zeitung 34 Mal gegen den Ehrenkodex der Österreichischen Presse – einzig die Kronen Zeitung hat im selben Zeitraum mehr Verstöße. Chorherrs Vorschlag muss auf ihn wie eine Drohung gewirkt haben, denn Zeitungen wie Heute oder Österreich leben fast ausschließlich von Inseraten. Wenige Tage später erscheint in Österreich ein Artikel über Projekte, für die nicht nur Christoph Chorherr, sondern auch dessen Familie öffentliche Förderungen erhielten.

Ein publizistischer Gegenschlag? Im Gespräch mit DOSSIER und Falter lässt sich Wolfgang Fellner tief in die Karten blicken: „Wenn uns jemand vorwirft, dass wir zu viel Geld kassieren, dann darf man wohl schreiben, wie viel Geld er kassiert“, sagt er.

Ich bin ja nicht der Watschenmann der Stadt, der sich hinstellt und sagt, jetzt darf mir jeder eine runterhauen. Das bin ich nicht. Wenn mir einer eine runterhaut und selbst von Subventionen lebt, dann darf ich ja wohl schreiben, dass der Scherzbold, der behauptet hat, man soll die Inserate der Zeitungen komplett kürzen und an den Presserat koppeln, dass er das auch noch originellerweise im Falter macht, der zwei Wochen vorher verurteilt worden ist und deswegen keine Inserate mehr bekommen hätte.

Fellner spricht erstmals offen aus, dass er und seine Zeitung Journalismus ähnlich einer Waffe einsetzen. „Wenn man Fellner kritisiert, dann muss man damit rechnen, dass man mit einer persönlichen Geschichte angegriffen wird,“ sagt Armin Thurnher, Falter-Herausgeber und Chefredakteur im Interview mit DOSSIER. Für Fellners Art mit Kritikern umzugehen, hat er einen Namen: „Retorsionsjournalismus“, was so viel bedeute wie „Wir schlagen zurück!“, sagt Thurnher. „Dabei wird versucht, die betreffende Person persönlich zu vernichten. Das ist schon mehrmals passiert.“ 

Krieg der Chefredakteure

Unlängst berichtete Österreich über Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter, einen von Fellners Erzfeinden. Seit Jahren schenken sich die beiden vor Gerichten und in Kommentaren nichts. Am 21. August erscheint in der Rubrik „Politik-Insider“ ein Text, in dem Brandstätter vorgeworfen wird, seinen 25-jährigen Sohn mit einem Job bei den ÖBB versorgt zu haben – „direkt im Büro des damaligen ÖBB-Chefs Christian Kern“. Und Österreich wirft eine Frage auf: „Wurde das Wohlwollen des Kurier-Chefredakteurs mit einem hoch bezahlten Job für den Sohnemann erkauft?“

Ein weiterer journalistischer Angriff der Marke Fellner? Oder was ist dran? „Nichts“, sagt Helmut Brandstätter zu DOSSIER: „Alle Fakten sind falsch. Mein Sohn hat sich für ein Praktikum beworben und nie im Büro von Christian Kern gearbeitet. Er hat ein normales Gehalt.“ Jakob Brandstätter sei nach einem dreimonatigen Praktikum „wegen seiner überzeugenden Leistung“ übernommen worden, sagt auch eine Sprecherin der ÖBB und weiters: 

Jakob Brandstätter war weder im Büro des früheren ÖBB-CEO Christian Kern tätig noch ihm direkt unterstellt. Er war oder ist in keiner Führungsposition in der ÖBB Holding tätig. Sein Gehalt und Einstufung orientieren sich strikt an den entsprechenden Unternehmensrichtlinien.

Helmut Brandstätter glaubt, die versteckte Botschaft des Berichts zu kennen: „Ich verbreite Lügen über dich, und wenn du weiterschreibst, verbreite ich noch mehr Lügen.“ Immer wieder habe der Kurier „absurde Inserate in Boulevardzeitungen“ aufgezeigt, weshalb Fellner verärgert sei. „Wenn man sich wehrt, haut Fellner hin und er rechnet damit, dass sich alle fürchten“, sagt Brandstätter. Doch das wahre Ziel seien weder er noch sein Sohn gewesen, sondern Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) – dieser bezog schon in seinem ersten Fernsehinterview als Bundeskanzler in der ZiB 2 eine deutliche Position zu den hohen öffentlichen Werbeetats: 

Ich wüsste gar nicht, wo die Mitglieder der Bundesregierung inserieren sollen. Unsere vorrangige Aufgabe ist es nicht zu inserieren, sondern Politik zu machen, Taten zu setzen und klar identifizierbar zu machen, was wir für das Land tun. (Bundeskanzler Christian Kern am 17. Mai 2016)

Rund zwei Monate später spricht auch der neue Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) von einer Reduktion der Anzeigengelder: „Den Inseratenetat werden wir sukzessive kürzen und uns wie jedes Unternehmen überlegen, wie wir unsere Werbeausgaben aufteilen.“ Die neue Linie soll über die Regierung hinaus Wirkung zeigen. Tatsächlich belegt eine Auswertung der Werbeschaltungen des mit Abstand größten öffentlichen Anzeigenkunden der Republik, der Stadt Wien und ihrer Unternehmen, einen Abwärtstrend, der gegen Ende 2015 einsetzt – auch die Tageszeitung Österreich ist davon betroffen.

Laut Fellner ist der Bericht über Brandstätters Sohn aus rein journalistischen Motiven entstanden: Eine „völlig anständige Geschichte“, sagt er und verweist auf die Berichterstattung anderer Medien über Christian Hofer, den älteren Bruder des Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (FPÖ). Dieser hatte einen Job in einer Abteilung der burgenländischen Landesregierung bekommen, die wiederum dem freiheitlichen Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz untersteht. „Was ist da bitte der Unterschied?“, fragt Fellner. Für Brandstätter scheint der Unterschied im Motiv zu liegen. Er schreibt in einem Tweet:

Auf DOSSIER-Nachfrage relativiert der Kurier-Chefredakteur. Da müsse er vorsichtig sein, „aber es kommen sonderbare Methoden zur Anwendung, über die sich Geschäftsleute und Politiker bei mir ausgeweint haben. Jeder Stadtrat und jeder Generaldirektor in Österreich kennt diese Methoden.“