Auf der Abschussliste

Das Ibiza-Video forderte ein Opfer bei der „Krone“: Online-Chef Richard Schmitt wurde kaltgestellt. Treibende Kraft: Print-Chef Klaus Herrmann.

Von Ashwien Sankholkar

Kronen Zeitung14.6.2019, aktualisiert: 1.7.2019

Update, 1. Juli 2019

Die DOSSIER-Story über den geplanten Abschuss von „Krone“-Onlinechef Richard Schmitt wurde nun offiziell bestätigt. Schmitt musste die Leitung von krone.at abgeben, wie das Ö1-Magazin „Doublecheck“ jüngst berichtete. Auch die prestigeträchtige Rolle als „Berater des Herausgebers“ Christoph Dichand wurde ihm aberkannt. Von der Chronik- und Politikberichterstattung wird Schmitt ausgeschlossen und „sich künftig auf ein Streamingprojekt der ‚Krone‘ konzentrieren“, so „Der Standard“.

Der geschäftsführende „Krone“-Chefredakteur Klaus Herrmann scheint den internen Machtkampf also auf allen Linien gewonnen zu haben. Die Personalentscheidung kommt nach dem „Ibiza-Skandal“ in der FPÖ. Schmitt galt als FPÖ-nahe und wurde in dem Video vom ehemaligen FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache auch als „einer der besten Leute, die es gibt“ bezeichnet.

Richard Schmitt ist der Pitbull. Im Pressehaus in der Wiener Muthgasse führt er seit vielen Jahren ein hungriges Journalistenrudel an. Als Chefredakteur von krone.at, dem Online-Team der größten und einflussreichsten Zeitung Österreichs, trat er als Hardliner gegen Steuergeldverschwendung im roten Wien auf sowie als wichtiger Verbindungsmann zum ehemaligen FPÖ-Frontman Heinz-Christian Strache. Die Partnerschaft war umstritten, aber für beide Seiten lange vorteilhaft.

Der Strache-Schmitt-Pakt: Krone.at berichtet über blaue Reizthemen, etwa Asylmissbrauch, Ausländerkriminalität und Islamismus, die Strache auf seiner Facebook-Seite mit fast 800.000 Abonnentinnen und Abonnenten wiederholt gepusht hat. Dieses Pingpongspiel trieb Zugriffszahlen und Reichweite von krone.at in die Höhe. Und auch Strache bekam beachtliche Präsenz in den Online-Medien – und das in Ausmaßen, von denen andere Politikerinnen oder Politiker nur träumen können.

Die Beziehung zu den Freiheitlichen erweist sich nun als Bürde. Am 17. Mai wurde das berühmt-berüchtigte Ibiza-Video mit Strache und Johann Gudenus von den deutschen Medien Spiegel und Süddeutsche Zeitung ins Internet gestellt. Seither befindet sich nicht nur Österreich im Ausnahmezustand, sondern auch die Krone. Schmitts Online-Welt wurde in ihren Grundfesten erschüttert, und der Pitbull bekam einen Maulkorb verpasst. Noch schlimmer: Das Ibiza-Video katapultierte Schmitt auf die persönliche Watchlist von Krone-Oberboss Christoph Dichand.

„Gerüchte kommentiere ich nicht“, sagt Schmitt gegenüber DOSSIER und übt sich in Zweckoptimismus: „Ich bin seit 30 Jahren dabei, und die Familie Dichand war immer zufrieden mit meiner Arbeit.“ Von Ablöse also keine Rede?

Zack, zack, zack

Tatsächlich sind die Dichands auf Schmitt im Moment gar nicht gut zu sprechen. Zur Erinnerung: Im Ibiza-Video schwadroniert Strache über einen Machtwechsel in der Krone und bezeichnet Journalisten als „die größten Huren auf dem Planeten“. Gegenüber einer „russischen Oligarchennichte“ – in Wahrheit eine schauspielende junge Dame – gab Strache zu verstehen, dass er einem Eigentümerwechsel in der Krone durchaus zugeneigt sei. 

Strache im O-Ton: „Sobald sie die Kronen Zeitung übernimmt, sobald das der Fall ist, müssen wir ganz offen reden, da müssen wir uns zusammenhocken. Da gibt es bei uns in der Krone: zack, zack, zack. Drei, vier Leute, die müssen wir pushen. Drei, vier Leute, die müssen abserviert werden. Und wir holen gleich mal fünf Neue herein, die wir aufbauen.“ Strache nannte viele Personen, aber nur ein Journalist wurde von ihm positiv hervorgehoben: Richard Schmitt.

Für Schmitt sollte sich die Namensnennung als toxisch erweisen. Laut DOSSIER-Informationen gab es seither mindestens zwei Unterredungen mit Christoph Dichand und Klaus Herrmann, in denen die Ablöse des Krone-Onlinechefs das zentrale Thema war. Schmitt soll kaum Fürsprecher im Pressehaus haben. Ohne Hausmacht schaut es für ihn jedenfalls nicht sehr gut aus. 

Die Leistung, die Online-Krone aus dem Dornröschenschlaf geholt zu haben, schützte Richard Schmitt bisher vor internen Attacken. Doch nach Ibiza gelten neue Regeln. In der Ö1-Sendung Doublecheck machte Krone-Chefredakteur Klaus Herrmann deutlich, dass er sich von Altlasten entledigen will. „Klaus Herrmann ist nicht mein Chef“, stellt Schmitt klar. „Ich bin nur dem Herausgeber weisungsgebunden.“ Und das ist Christoph Dichand.

Ähnliches wie für Schmitt (Jahrgang: 1968) gilt auch für den 76-jährigen Kolumnisten Michael Jeannée, dessen frauen- und fremdenfeindliche Äußerungen eine ständige Quelle des Fremdschämens bilden. In der Vergangenheit fiel Jeannée mit Ausritten gegen ORF-Journalistinnen, Life-Ball-Organisator Gery Keszler und die Kunstfigur Conchita Wurst auf. Zuletzt sorgte eine Kolumne über die Neos-Europamandatarin Claudia Gamon und Burgtheater-Chef Martin Kušej für Staunen. 

Den Namen des wichtigsten Kulturmanagers Österreichs („Lieber Herr Krušej“) schrieb Jeannée in seiner dünnen Kolumne dreimal falsch. Doch im Vergleich zum Fall Gamon ist das eine lässliche Sünde. Ungewollt und ungeniert outete sich Jeannée als Lustgreis („Richtig, schöne Claudia (...) Blutjung, fröhlich, herzerfrischend“). Im Ö1-Magazin Doublecheck macht Klaus Herrmann deutlich, dass er Michael Jeannée künftig enger an die Kandare nehmen will. Die regelmäßigen Grenzüberschreitungen sollen der Vergangenheit angehören. Künftig werde es „roten Linien“ geben. Seinen Anspruch auf Alterspension hat Jeannée längst erworben.  

Strache-Freund ist Krone-Feind 

So könnte Herrmanns Hausregel lauten. Das macht die Strache-Schmitt-Causa um eine Facette reicher. Denn involviert ist noch ein besonderer Erzfeind der Dichands: René Benko. Im Ibiza-Video offenbarte Strache auch seine engen Bande mit dem Immobilieninvestor Benko („Ich war bei ihm am Schiff“) und nannte den 42-jährigen Tiroler sogar als heimlichen Financier der Freiheitlichen. 

Vertreter der Signa Holding von René Benko haben den Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung zurückgewiesen, eine Klage werde derzeit geprüft. Die Verdachtslage dürfte dennoch derart massiv sein, dass gegen Signa und andere von Strache genannten Unterstützer ermittelt wird. 

In der Krone-Chefetage schlug die Nähe von Benko und Strache ein wie eine Bombe. Zur Erinnerung: Im Herbst 2018 leitete Benko eine feindliche Übernahme der Krone ein. Gegen den Willen der Krone-Eigentümerfamilie Dichand tat sich Benko zusammen mit der deutschen Verlagsgruppe Funke (früher: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, kurz WAZ). Konkret sicherte er sich 49 Prozent an einer Funke-Zwischenholding, die den Hälfteanteil an der Kronen Zeitung verwaltet. Seit dem Okay der Bundeswettbewerbsbehörde im Dezember 2018 gilt Benko mit durchgerechnet 24,9 Prozent als dritter Krone-Eigentümer – und er hat Lust auf mehr. Beraten wird Benko in Sachen Krone von SP-Altkanzler Alfred Gusenbauer, der mit den Dichands ein Hühnchen zu rupfen hat.

Nun zittern alle Krone-Journalisten mit besonderer Nähe zu Strache und der FPÖ. Schmitt soll nur der Anfang sein, heißt es. Herrmann wolle keine „Illoyalen“ in der Redaktion – und habe für die bevorstehende Neuordnung die volle Rückendeckung von Christoph Dichand. „Ich werde das machen, wo mich die Familie Dichand am besten eingesetzt sieht“, gibt sich Richard Schmitt nibelungentreu. Chefredakteur Herrmann könne ihm gar nichts anschaffen.

„Was der Herr Herrmann sich vorstellt, das weiß ich nicht“, sagt Schmitt. Print-Chefredakteur Klaus Herrmann war für eine Stellungnahme gegenüber DOSSIER nicht erreichbar. Sein Sekretariat verweist in Sachen Schmitt ans Büro Dichand.

Christoph Dichand will die heikle Personalie noch im Juni entscheiden. „Wir arbeiten an der Zusammenführung von Print und Online“, sagt Schmitt. Das sei eine Vorgabe von Christoph Dichand. Strategisch gibt es laut einem Insider zwei Positionierungen: Herrmann stehe für die biedere Familienzeitung und Schmitt für reißerischen Boulevard. Fakt ist: Dichand ist kein Rambo, eher Mister Biedermeier. Nach der Print-Online-Fusion wird es nur einen geschäftsführenden Chefredakteur geben – und der wird wohl Klaus Herrmann heißen. Das Büro Dichand verweigert gegenüber DOSSIER eine Stellungnahme zum personellen Revirement: „Doktor Dichand befindet sich momentan im Ausland.“

Für Schmitt wäre es nicht die erste Distanzierung der Dichands. Im Jahr 2011 machte er eine ähnliche Situation durch. Damals war Schmitt sechs Jahre lang Chefredakteur von Heute. Die Gratiszeitung machte er zur Nummer eins in Wien – mit ähnlichen Tricks wie später bei krone.at. Über Schmitts Rauswurf wurde damals kolportiert, dass sein rauer Umgangston mit Mitarbeitern nicht mehr hinzunehmen sei. Tatsächlich hatte Schmitt internen Zoff mit einem Heute-Alphatier: Heute-Herausgeberin Eva Dichand. Damals machte sie kurzen Prozess.