Die Aufgeiger

Die Kooperationspartner der Wiener Musikschule sind selbst in dubiose Geschäfte verwickelt: Die Spur führt einmal mehr nach Armenien.

Von Julia Herrnböck und Sahel Zarinfard

Musikkonservatorien8.11.2017 

  • Ein Kooperationspartner der Musikschule ist eine Privatstiftung, die sich auf seltene Sammlerinstrumente spezialisiert hat - und am liebsten gar nicht gefunden wird.
  • Ein anderer Kooperationspartner, eine Schweizer Künstleragentur, ist eng verwoben mit einer Vermögensberatung für Offshore-Geschäfte. 
  • Bei einem staatlichen Musikwettbewerb in Armenien werden mehrere Schüler des Wiener Konservatoriums ausgezeichnet. Ihre Professoren sitzen in der Jury. Es winken zehntausende Dollar Preisgeld und eine wertvolle Violine.

In Broschüren und auf der Webseite lockt das Richard-Wagner-Konservatorium mit einer Rarität: dem Zugang zu exklusiven Instrumenten. Wie zum Beweis steht das Bild einer Stradivari online, im Begleittext steht: „Eine Sammlung von feinen Instrumenten, darunter eine 1714 A. Stradivari für unsere Studenten“ – zur Verfügung gestellt von der Privatstiftung Del Gesù.    

Violinen der Geigenbauer Stradivari oder Guarneri sind so ziemlich das Teuerste, was die Musikwelt zu bieten hat. In Auktionshäusern werden sie für mehrere hunderttausend Dollar versteigert, bei besonders seltenen Exponaten schießen die Preise in Millionenhöhe – wie das Modell, das Schulleiter Mirza K. anbietet: „17 Millionen Euro zu halten, ist gar nicht so einfach“, sagt er im Interview mit DOSSIER.

Um in die Nähe solch seltener Geigen zu kommen, braucht es potente Unterstützer. Beim Richard-Wagner-Konservatorium hat man davon gleich zwei. Zu Jahresbeginn 2017 finden sich die Logos der Schweizer Künstleragentur Swissgart und das Emblem der Privatstiftung Del Gesù, die sich angeblich auf den Verkauf exquisiter Instrumente spezialisiert hat, auf der Webseite des Konservatoriums. Im Zuge der DOSSIER-Recherche verschwinden das Bild der Geige und die Logos von der Webseite.

Seit Jahren stehen die Verantwortlichen in undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen miteinander. Einmal mehr führen die Fäden zu jener einflussreichen Familie in Armenien, die über Jahre ein internationales Netzwerk aufgebaut hat, das auch Spuren nach Österreich und von hier weiter zu Offshore-Beratungsfirmen zieht. 

Die geheimnisvolle Stiftung

Wie schon bei dem angeblichen Angebot, Bachelor- und Masterabschlüsse zu erlangen, rudert Schulleiter Mirza K. auch hier zurück: Nie habe es eine Kooperation mit der Künstleragentur Swissgart oder der Privatstiftung Del Gesù gegeben, dementiert er per E-Mail. Auch die Werbung mit der Stradivari sei ein Missverständnis.

„Wir hatten nie eine Stradivari-Violine aus dem Jahr 1714 auf unserer Webseite. Das Bild entspricht nicht der Geige, die Sie meinen“, heißt es. Es soll nicht nur bei diesen Widersprüchen bleiben, wie ein näherer Blick auf die beiden Kooperationspartner und ihre intransparenten Geschäfte zeigt.  

Die Suche nach der Privatstiftung Del Gesù führt ins Leere. Im Internet ist kaum etwas über die Organisation in Erfahrung zu bringen: Ihre Webseite ist seit einem Jahr inaktiv. Es gibt keine Firmenadresse, keinen Eintrag im Firmenbuch oder Handelsregister, und auch der Stifter ist unbekannt. Über ein Online-Archiv, das frühere Versionen von Webseiten speichert, werden als Standorte der Stiftung die Schweiz und Liechtenstein genannt. Doch auch dort gibt es keine weiterführenden Hinweise auf Del Gesú.

Die einzige Spur führt schließlich nach Armenien – zur Familie Smbatyan, die nicht nur altbewährte Kontakte zum Richard-Wagner-Konservatorium pflegt, sondern auch mit der Privatstiftung Geschäfte macht.

Instrumente als Investment

2015 trat die Del-Gesù-Stiftung als Sponsor des Aram-Khachaturian-Violine-Wettbewerbs in Armenien in Erscheinung. „Das Investment in besondere Musikinstrumente ist heutzutage besonders krisenfest und profitabel“, warb die Stiftung in der Hochglanzbroschüre. „Wir verfügen über ein erstklassiges Netzwerk internationaler Investoren, allen voran in der Schweiz, Russland, Asien und am Persischen Golf.“

Eine Mitarbeiterin des Musikwettbewerbs verrät am Telefon, die Stiftung betreibe ein Büro in Armenien. Hinter dem Wettbewerb steht niemand geringerer als Armen Smbatyan, der Kulturberater des armenischen Präsidenten und ehemaliger Kulturminister. Er und seine Familienmitglieder sind in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt. Sein Sohn Sergey ist Direktor des Aram-Khachaturian-Orchesters. Die Organisation ist an der gleichen Adresse gemeldet wie das Staatskonservatorium Komitas, das mit dem Richard-Wagner-Konservatorium eine Kooperation über angebliche Doppeldiplome eingegangen ist.

In mehreren Artikeln in Russland und Großbritannien wird Robert Dumitrescu als Vertreter von Del Gesù genannt. Er lebt in der Schweiz und ist laut Firmenbuch Geschäftsführer der Guarneri Society GmbH, die ebenfalls ihr Know-how für das Investment in Musikinstrumente anbietet. Anfänglich ist Dumitrescu zu einem Interview bereit und behauptet, er habe lediglich im Namen der Stiftung eine Ausstellung im Rahmen des Wettbewerbs in Armenien organisiert. Doch bei erneuter Kontaktaufnahme bricht er den Kontakt ab.

Zweifelhafte Künstleragentur

Genauso dubios verlaufen die Spuren des zweiten Kooperationspartners: Die Swiss Global Art Management, kurz Swissgart, sei „ein wichtiger Partner“ des Richard-Wagner-Konservatoriums, sagte Schulleiter K. einst zu DOSSIER. Auf erneute Nachfrage, wie die Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen genau aussehe, streiten sowohl K. als auch Swissgart eine Kooperation ab. Das Logo verschwindet kurze Zeit später von der Schulwebseite, die Agentur möchte nicht mehr kontaktiert werden.

Laut eigener Webseite arbeitet die Künstleragentur mit namhaften Musikern wie etwa dem Dirigenten Riccardo Muti und den Wiener Philharmonikern zusammen. Doch weder Muti noch die Philharmoniker wissen von einer Zusammenarbeit.

„Meister Muti wird weder durch eine Agentur noch durch einen Manager vertreten“, schreibt eine Mitarbeiterin per E-Mail. „Jedes Portal, das anderes behauptet, ist falsch!“ Nicht weniger erstaunlich fällt die Reaktion bei den Wiener Philharmonikern aus. 2015 habe es zwar ein gemeinsames Konzert mit Riccardo Muti in Russland gegeben, aber „das war ein einmaliges Projekt“, betont Geschäftsführer Harald Krumpöck.

Erneut tauchen Familienmitglieder des Kulturberaters des armenischen Präsidenten auf: Denn ein Künstler, der angeblich von Swissgart vertreten wird, ist der junge Dirigent Sergey Smbatyan, Sohn des Präsidentenberaters Armen. Armen und der Eigentümer von Swissgart saßen gemeinsam über 15 Jahre in Prüfungskomitees des armenischen Staatskonservatoriums Komitas. Beide, Vater wie Sohn Smbatyan, ließen Anfragen von DOSSIER unbeantwortet.

Verbindung zu Offshore-Beratungsfirmen

Swissgart wurde 2013, etwa zur gleichen Zeit wie das Richard-Wagner-Konservatorium gegründet. Gründer Ino Mirkovic, früher selbst Direktor eines Konservatoriums in Kroatien, ist zudem ein langjähriger Freund von Mirza K., dem Direktor der Wiener Musikschule. In den ersten zwei Geschäftsjahren wechselt Mirkovics Agentur gleich dreimal ihren Standort und zweimal den Geschäftsführer. Beide Male handelt es sich um Mitarbeiter und Eigentümer einer in Schweiz ansässigen Offshore-Beratungsfirma namens Swiss Financial Yard, die auch Anteile an Swissgart besitzt.

Die Beratungsfirma bietet „Assistenz bei Vermögensschutz“, etwa in Form von Offshore-Konten in Liechtenstein, Singapur oder Hongkong. Auch Österreich und die Schweiz werden im Portfolio als attraktive Länder mit Bankgeheimnis genannt. Eigentümer von Swiss Financial Yard ist ein Österreicher namens David Paulson, der auch die Firma Global Financial Yard betreibt. Durch Berichte über Steueroasen sei die Schweiz ins Visier der „Leitmedien“ geraten, steht auf der Webseite. „Treuhänder-(Trustee-)Modelle gewährleisten größtmögliche Anonymität an einem Standort, der lediglich interne Prüfungen auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vornimmt, ansonsten aber keinerlei zugänglichen Register oder weiterführende Informationspflichten hat“, heißt es in einem Folder der Firma.

Warum beteiligt sich eine Offshore-Beratungsfirma an der fragwürdigen Künstleragentur Swissgart? Diese Frage beantworten die beiden – wenig überraschend – nicht: „Leider können wir keine Ihrer Fragen bestätigen oder abstreiten. Bitte kontaktieren Sie Swissgart nicht erneut“, heißt es in einer E-Mail. Paulson reagiert weder auf Mails noch auf Kontaktaufnahmen.  

Showdown in Armenien

Im Juni 2015 treffen alle involvierten Protagonisten bei einem Musikwettbewerb in Armenien zusammen: Vertreter des Richard-Wagner-Konservatoriums, der Del-Gesù-Stiftung, von Swissgart und der Familie Smbatyan. Iva Miletic wurde zur Siegerin gekürt, eine Studentin des Richard-Wagner-Konservatoriums. In der Jury saß neben Swissgart-Geschäftsführer Ino Mirkovic auch Igor Petrushevski, Professor für Violine am Richard-Wagner-Konservatorium und langjähriger Lehrer der Siegerin.

Die Recherchen zum Richard-Wagner-Konservatorium in Kooperation mit der armenischen Rechercheplattform Hetq wurden von „Reporters in the Field“ der Robert-Bosch-Stiftung finanziell unterstützt.

Als Siegesprämie erhielt sie 15.000 US-Dollar und eine 1825 gefertigte Jean-Baptiste-Vuillaume-Violine als einjährige Leihgabe – gestiftet von der Del-Gesù-Privatstiftung. In Auktionshäusern werden bis zu 240.000 US Dollar für ein solches Instrument geboten. Die Kassen des Wettbewerbs sind aber nicht nur dank privater Förderer gut gefüllt: Auch das armenische Kulturministerium zeigt sich seit dem Eintritt Armen Smbatyans im Jahr 2014 spendabel - mit Steuergeld.

So wurde der Wettbewerb im selben Jahr mit 87.000 US-Dollar direkt und 18.000 US-Dollar indirekt über einen nahestehenden Verein versorgt. Aus dem Jahresbericht für 2015 geht hervor, dass 105.000 US-Dollar bereitgestellt wurden plus 35.000 US-Dollar über Umwege, etwa das Staatskonservatorium Komitas. Zum Vergleich: Je nach Qualifikation erhält ein Musiklehrer am Komitas zwischen drei und vier US-Dollar Stundenlohn. 

Iva Miletic ist nicht die Einzige, die an diesem Abend mit Geld und Ruhm nach Hause geht. Insgesamt drei der fünf Gewinner sind Studenten des Richard-Wagner-Konservatoriums und gewinnen ebenfalls zehntausend Dollar. Deren Lehrer sitzen in der Jury, eine der drei nimmt sogar Privatunterricht - bei Armen Smbatyans Mutter.