Werbung, die keine ist

Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bekommt auffällig schmeichelhafte Berichterstattung. Angeblich ohne Gegenleistung.

von Georg Eckelsberger

Inserate25.1.2018 

Michael Ludwig hat einen Einfall – und mit der Krone den richtigen Partner: „10.000 Euro für Ihre besten Wohnideen!“, kündigt Krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt im Dezember 2017 einen gemeinsamen Wettbewerb an.

„Ich freue mich, wenn jetzt alle Wiener ihre Vorstellungen in die Zukunft unserer Stadt einbringen“, wird Ludwig (SPÖ) zitiert, darunter ein Foto des lächelnden Stadtrats. In den Wochen darauf bewirbt die Krone die Aktion mehrmals wöchentlich.

Der Wettbewerb samt Publicity in der reichweitenstärksten Zeitung des Landes kommt Ludwig gelegen. Er steckt zurzeit im wohl wichtigsten Wettstreit seiner Karriere: um das Amt des Wiener Bürgermeisters.

Die Krone-Aktion ist eines von vielen Beispielen, in denen der Stadtrat in den vergangenen Wochen schmeichelhaft in Zeitungen auftaucht. Die Beiträge haben etwas gemeinsam: Sie sehen aus wie redaktionelle Werbung, sie lesen sich wie Werbung, doch Geld fließt dafür nicht. Zumindest nicht direkt.

Während seiner Amtszeit hat Ludwig viel Steuergeld an Medien verteilt: 41,5 Millionen Euro in zehn Jahren, umgerechnet 11.400 Euro täglich, gab die ihm untergeordnete Magistratsabteilung 50 („Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten“) für Öffentlichkeitsarbeit aus.

Wie viel davon in Form von Inseraten an Zeitungen floss, sagt der Wohnbaustadtrat nicht. Die Medientransparenzdaten geben darüber ebenso wenig Auskunft: Ludwig verwaltet ein eigenes Werbebudget, die Ausgaben werden nur als Gesamtsumme der Stadt Wien ausgewiesen.

Die Macht der Bilder

Die zeitliche Nähe des Ideenwettbewerbs zur Bürgermeister-Entscheidung sei ein Zufall, sagt Krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt: Das Konzept sei bereits im Frühsommer 2017 fertig am Tisch gelegen, dann aus anderen Gründen verschoben worden. Bezahlen muss Ludwig für diese Kooperation mit der Krone nicht.

Einzig die 10.000 Euro Preisgeld kamen vom Wohnbauressort, schreibt Schmitt. Aber auch das komme den Gewinnern zugute.

Dass kein Geld an die Krone fließt, hat für den Stadtrat einen Vorteil: Er darf mit Foto vorkommen. Würde es sich um bezahlte Werbung handeln, wäre das nicht erlaubt: Das Medientransparenzgesetz verbietet es Mitgliedern von Landesregierungen mit Steuergeld finanzierte Informationskampagnen zur Eigenwerbung nutzen.

News vom Wohnbaustadtrat

Nicht nur in der Krone finden sich auffällige Beispiele von wohlwollender Berichterstattung über Michael Ludwig: Im Nachrichtenmagazin News erscheint am 7. Dezember 2017 der Artikel „Alle(s) unter einem Dach“. Auf zwei Seiten wird „ein neues Stadtquartier“ im 23. Wiener Gemeindebezirk vorgestellt, es sei „Bestandteil der Wiener Wohnbauoffensive“.

„Viel Grün und noch mehr Sport“, „Wellnessbereich am Dach“: Der Bericht muss dem Wohnbaustadtrat gefallen, er wird ausführlich zitiert, Porträtfoto inklusive. Die Doppelseite erscheint in unverändertem Layout alle vier bis sechs Wochen.

News weist diese Seiten als „redaktionelle Kooperation mit der Stadt Wien“ aus – auch dafür fließt kein Geld, wie ein Sprecher des Wohnbaustadtrats sagt. Doch warum gibt das Magazin dem Wohnbaustadtrat regelmäßig und kostenlos so viel Platz im Heft?

Stecken tatsächlich journalistische Motive dahinter oder ist es ein Gegengeschäft? News-Chefredakteurin Esther Mitterstieler und der Geschäftsführer der Verlagsgruppe News, Horst Pirker, wollten dazu trotz Nachfrage nicht Stellung nehmen.

„Gemeindebau aus Insidersicht“

Auch im „Wohnkurier“, einer Beilage der Tageszeitung Kurier, wird Stadtrat Ludwig gekonnt in Szene gesetzt: So steht etwa die Ausgabe vom 3. Dezember 2017 im Zeichen des sozialen Wohnbaus. Ein Kurier-Redakteur beschreibt in einem Essay den „Gemeindebau aus Insidersicht“ und „warum er nicht umzuziehen gedenkt“. 

Zuvor widmen sich mehrere Artikel den Leistungen des Wohnbauressorts: einer Mieterbefragung in der Per-Albin-Hansson-Siedlung, der Umstrukturierung der Wiener Gebietsbetreuung, den Angeboten des Wohnservice Wien. Neben dem Leitartikel hält Ludwig gemeinsam mit Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ) ein Schild mit dem Aufdruck „Modernisierungsoffensive“ in die Kamera.

Erneut: alles redaktionelle Beiträge, keine bezahlte Werbung. Diese würde „ausnahmslos als solche gekennzeichnet“, schreiben Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter wie Mediaprint-Geschäftsführer und aktueller Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) Thomas Kralinger an DOSSIER.

Wie kommt es zu der Häufung von Jubelmeldungen über das Wohnbauressort? Man berichte gegebenenfalls über Missstände in der Stadt Wien, es gebe aber „kein Verbot, über positive Geschehnisse zu berichten“, heißt es weiter.

Ein Walfisch zum Wohnen

Zurück zum Ideenwettbewerb: Die 10.000 Euro Preisgeld waren für Ludwig gut investiert – für die Stadt Wien weniger. Nach zahlreichen Ankündigungen lächelte Ludwig am Dienstag erneut aus der Krone: Im Wiener Rathaus fand wenige Tage vor der Bürgermeister-Entscheidung die Preisverleihung statt.

Die Erwartungen waren hoch. Das Siegerprojekt solle realisiert werden, hieß es zu Beginn des Wettbewerbs. „Mit den Preisgeldern sind die Rechte an den Ideen abgegoltenen. Die Erkenntnisse des Wettbewerbs werden in der Folge in Bauträgerwettbewerbe einfließen“, erklärt ein Sprecher des Wohnbaustadtrats gegenüber DOSSIER die öffentlichen Ausgaben.

Die Gewinnerprojekte seien jedoch „alle nicht umsetzbar“, sagt Peter Pelikan, Architekt und Mitglied jener Jury, die die Sieger kürte, zu DOSSIER.

„Es hieß, es sollte realisierbar sein, aber dann haben alle für einen Walfisch mit einem Fauteuil drinnen, einen roten Campingbus und ein Baumhaus gestimmt. Das waren Ideen von Schülern, die lustig anzusehen sind. Aber für die Zukunft ist das nicht sinnvoll.“

Auch das Siegerprojekt in der Kategorie für Erwachsene sei „eine sinnlose Geschichte“, sagt Pelikan.

Der Wohnbaustadtrat ­– und mögliche neue Bürgermeister – ist trotzdem zuversichtlich: „Einige dieser Projekte wollen wir auch bauen“, zitiert die Kronen Zeitung Michael Ludwig.