Interview

Werbebudgets der Ministerien für Stimmenfang

Werbebeobachter Klaus Fessel erklärt wie sich Ministerien in den Wahlkampf einmischen.

Inserate17.10.2012 

DOSSIER: Warum gibt es Werbebeobachtung?

Klaus Fessel: Werbebeobachtung dient in erster Linie dazu, den Werbemarkt quantitativ festzuhalten. Das gibt es seit den 1960er-Jahren. In den 1990ern sind neue Werbeformen – wie Direktmarketing oder das Internet – dazugekommen. Focus kann nur einen Teil der Werbekanäle selbst erfassen: das Fernsehen, den Hörfunk und den Printsektor. Für andere Bereiche, wie Internet oder Außenwerbung, ist das unmöglich, da man hier nicht jede Werbung zählen kann. Deshalb melden uns diese Medien ihre Informationen. Werbebeobachtung basiert auf den offiziellen Preisen, die von den einzelnen Medien ausgewiesen werden. Etwaige Rabatte sind nicht berücksichtigt. Das heißt, der Werbemarkt wird von Focus teilweise größer dargestellt, als er tatsächlich ist.

DOSSIER hat im Infovideo den Zuwachs der Werbeausgaben öffentlicher Stellen anhand von Focus-Zahlen für den Zeitraum von 2001 bis 2011 dargestellt. Dieser liegt bei 180 Prozent. Gibt es einen ähnlichen Zuwachs auch in anderen Sektoren?

Nein, in diesem Ausmaß sicherlich nicht. In den Jahren 1995 bis 2000 ist der Telekommunikationsmarkt entstanden, was zu einem immensen Werbezuwachs geführt hat. Heute geht die Telekommunikationswerbung wegen des hohen Sättigungsgrades zurück. Öffentliche Institutionen und politische Parteien haben in den letzten Jahren gelernt, wie attraktiv Werbung ist – und ihre Werbebudgets daher deutlich gesteigert. Diese steigen aber nicht jedes Jahr an, sondern sind hauptsächlich im engen Kontext mit den jeweiligen Wahlen zu sehen. In Zeiten, in denen keine Wahlen stattfinden, gehen die Werbeaktivitäten von Institutionen zurück. Immer dann, wenn größere Wahlen anstehen, seien es Nationalrats- oder Landtagswahlen, steigen sie davor an.

Es schalten also nicht nur Parteien zusätzlich, sondern auch Ministerien bewerben ihre Aktivitäten stärker?

Die Werbeaktivitäten der Ministerien steigen ebenfalls in Jahren, in denen Wahlen stattfinden. Das wird prozyklisch mit den Wahlzyklen kombiniert. Es erscheint nicht notwendig, in der Mitte einer Legislaturperiode, wenn kein Druck vonseiten der Bevölkerung da ist, stärkere Werbeaktivitäten zu setzen. Aber dann, wenn es darauf ankommt, versucht man das zu kombinieren. Dahinter steckt der Gedanke, die Werbeaktivitäten der Ministerien zu nutzen, um Stimmen zu maximieren.

Was sagen Sie zum neuen Medientransparenzgesetz?

Es wird mit dem Gesetz möglich sein, die Daten, die der KommAustria gemeldet werden, jenen gegenüberzustellen, die von Focus erhoben werden. Daran lässt sich erstens ablesen, wie brav gemeldet wurde und zweitens, ob günstig oder ungünstig geworben wurde. Ich sehe das geplante Gesetz aus der Sicht öffentlicher Stellen nicht kritisch. Gerade dort sollte nach ökonomischen Gesichtspunkten agiert und Geld nicht leichtfertig aus dem Fenster geworfen werden. Privatwirtschaftliche Unternehmen, wie Spar oder Billa, verhandeln bei den Inseratenpreisen beinhart, weil sie genau auf ihre Kosten schauen. Bei öffentlichen Stellen gibt es die Vermutung, dass nicht so genau auf Ausgaben geachtet wird.

Verhandelt jedes private Unternehmen Rabatte?

Grundsätzlich ist es so, dass Vermarktung von Werbung über Mediaagenturen läuft. Diese Mediaagenturen haben Medieneinkäufer, die Spezialisten für Print und Hörfunk sind. Je größer eine Mediaagentur, umso besser ist ihre Möglichkeit, größere Rabatte zu bekommen. Diese werden auch in hohem Maße an die werbetreibende Industrie weitergegeben. Die Unternehmen reden selber nicht über Rabatte mit den Medien.

Was haben Unternehmen und Medien von Werbebeobachtung?

Jeder Werbebereich, der abgedeckt wird, kann seinen Stellenwert erhöhen. Werden Bereiche nicht inkludiert, ist man in diesen nicht „part-of-the-game“. Deswegen treten neue Medien, zum Beispiel eine neue Zeitung, an uns heran und sagen: Wir wollen in der klassichen Werbebeobachtung integriert sein. Unternehmen aus der werbetreibenden Industrie sind unsere Hauptkunden. Sie wollen erkennen, wie ihre Werbemaßnahmen in Relation zu jenen ihrer Mitbewerber greifen. Es ist in erster Linie eine Art Wettbewerbsbeobachtung: Wie viel gibt der Konkurrent aus? Welche Strategie fährt die Konkurrenz? Bei Medienunternehmen dienen die Daten dazu, den Anzeigenverkauf optimal zu steuern. Das ist für die Vertriebsplanung wesentlich.

Welche Informationen werden von Focus veröffentlicht?

Wir sehen es als unsere Pflicht an, Informationen über den Werbemarkt regelmäßig zu publizieren. Deswegen veröffentlichen wir auch die Gesamtwerbebilanzen gratis. Die Detaildaten dienen nur internen Zwecken. Deren Veröffentlichung ist nicht in unserem Interesse, weil es unserem Geschäft schaden würde. Also globale Daten ja, Detaildaten nein.

Wie werden Werbeflächen erhoben und die Bruttowerbewerte berechnet?

Bei Inseraten in Printmedien wird die Größe der Anzeige abgemessen. Es wird also erhoben, ob es sich um eine ganz-, halb- oder viertelseitige Anzeige handelt oder ob sie überhaupt nur wenige Spalten betrifft. Das wird mit den offiziellen Tarifen der jeweiligen Medien verknüpft. Das heißt: Wenn zum Beispiel eine ganzseitige Anzeige in der „Kronen Zeitung“ 35.000 Euro kostet, dann ist der Wert einer Viertelseite ein Viertel davon und so weiter. Etwaige Rabatte, die gewährt werden, zum Beispiel Mengenrabatte, was bei einigen Zeitungen sehr stark ausgeprägt ist, können nicht berücksichtigt werden. Wir nehmen also jede Werbung dem vollen Tarif entsprechend in die Werbebeobachtung auf.