5.417 Menschen gefällt Michael Ludwigs Profil auf Facebook (Stichtag 16.10.2015 um 17 Uhr). Wiens Wohnbaustadtrat sitzt mit einer Frau, einem Kind und einem Luftballon auf einer Parkbank vor einem Gemeindebau. Wohnen war eines der Kernthemen im jüngst geschlagenen Wahlkampf seiner Partei, der SPÖ. Da trifft es sich, dass der Wahlkampfslogan „A G’spür für Wien“ in Ludwigs Profilbild abgebildet ist.
Eine Meldung bejubelt den Sieg der Sozialdemokraten in einzelnen Sprengeln, ein rot getöntes Foto weiter unten zeigt Ludwig umringt von Befürwortern. „Bitte die Mama, den Papa, die Tochter, den Sohn, die Oma, die Enkerl, die Nachbarin, die Partygäste, den Sportpartner, die Arbeitskollegin, einfach alle bitte aufmerksam machen, wie wichtig das Kreuzerl bei der SPÖ Wien am Sonntag ist. Es geht um die Zukunft unserer schönen Stadt. #wahl15 #wählehäupl“, steht in einem weiteren Posting am Tag vor der Wahl. Es besteht kein Zweifel: Hier wurde Wahlkampf betrieben.
Aber wer steht hinter dem Profil? Der SPÖ-Kandidat Ludwig selbst, der um Stimmen für sich und seine Partei wirbt? Oder Ludwig, das Regierungsmitglied? Als Medieninhaber der Facebook-Seite wird im Impressum die Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung angeführt. „Diese Seite wird redaktionell von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Teams betreut“, heißt es dort weiter. Das erklärt, warum auf dem Facebook-Profil etwa Meldungen zu aktuellen Bauprojekten der Stadt zu finden sind - aber Wahlwerbung?
Schon längst findet Wahlwerbung nicht nur über die klassischen Kanäle wie Plakate, Broschüren oder Inserate statt. Soziale Medien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Auch hier bleibt nichts unversucht, denn jede Stimme zählt. Ein paar Fotos und Postings auf Facebook stellen, kostet nicht viel - abgesehen von der Arbeitszeit. Aufwendig ist hingegen die Moderation der Seite, die ebenfalls Ludwigs Team übernommen hat. Das Problem ist also, dass Bedienstete der Stadt Wien Wahlkampf für ihren Ressortleiter betreiben.
Auf Anfrage heißt es dazu aus dem Stadtratsbüro: "Diese Seite wird von Michael Ludwig persönlich und von Freunden und Weggefährten privat und selbstverständlich auch freiwillig betreut." Und weiter: "Natürlich liegt es auch in der Natur der Sache, dass viele Einträge von Usern auch die Ressortverantwortung der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung betreffen. Daher finden sich auch Informationen sowie die Kontaktdaten der Geschäftsgruppe auf der Facebook-Seite. Dass sich diese Information auch als Impressum wiederfindet, ist ein sehr bedauerlicher Fehler. Dieser wird selbstverständlich umgehend korrigiert. Festhalten wollen wir, dass selbstverständlich keinerlei finanzielle Mittel der Stadt Wien in den Betrieb der Facebook-Seite geflossen sind."
Dass es auch ohne Fehler geht, sieht man bei der bisherigen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne). Auch auf ihrem Facebook-Profil findet sich allerlei Material zu den Grünen und deren Wahlkampf – der entscheidende Unterschied: Die Facebook-Seite wird nicht von den Mitarbeitern ihres Stadtratsbüros, sondern von den Wiener Grünen betreut. Warum? Eine Vermischung von Partei- mit Ressortwerbung sei Amtsmissbrauch, heißt es auf Anfrage bei den Grünen. Die Trennung von Amt und Partei müsse gewahrt bleiben.
Kein Einzelfall
Artverwandtes ereignete sich vor wenigen Wochen auf der Seite des Donaustädter Bezirksvorstehers Ernst Nevrivy, ebenfalls SPÖ. Auf seiner Facebook-Seite fand sich ein Imagevideo über ihn, das von der Stadt Wien produziert wurde. Nachdem DOSSIER und NZZ.at aufgezeigt hatten, dass Nevrivy für Inserateschaltungen in das Bezirksbudget gegriffen hatte, verschwand das Video zuerst von Nevrivys Facebook-Seite, dann auch von der Videoplattform Vimeo.
Anfragen an den Bezirksvorsteher und die Stadt Wien zu den Kosten des Videos und warum dafür nicht Wahlkampfgelder der SPÖ Donaustadt verwendet wurden, blieben bisher unbeantwortet. Der Verdacht, dass die Stadt Wien in diesem Fall den Wahlkampf der SPÖ unterstützt hat, liegt nahe. Anfang September brachte die FPÖ eine Anzeige wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch bei der Staatsanwaltschaft Wien ein. Von dort heißt es: Das Verfahren ist offen, die Erhebungen laufen.
Auch über die schwarze Bezirksvorsteherin im achten Bezirk, Veronika Mickel, und ihre ungeklärte Finanzierung von Wahlkampfmaterial haben DOSSIER und NZZ.at berichtet. Sie wurde dazu in der Bezirksvertretungssitzung am 23. September von der Opposition befragt. Zum ersten Mal in ihrer Amtsperiode wollte sie eine Anfrage jedoch nicht mündlich, sondern schriftlich beantworten – in sechs Wochen, also nach der Wahl.
Hubert Sickinger, Politologe mit Schwerpunkt auf Parteienfinanzierung, nennt diese Handhabe „ein Problem“. Schon Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) kam unter Druck, weil auf seinem offiziellen Facebook-Account Wahlkampf betrieben wurde. „Die Frage ist immer: Wer hat was bezahlt?“ Die Fälle Nevrivy und Mickel seien möglicherweise Fälle für den Rechnungshof und den Parteienfinanzierungssenat.
Die Facebook-Auftritte der anderen Regierungsmitglieder
Die Profile von Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Renate Brauner (beide SPÖ) sucht man auf Facebook vergebens. Beide sind dem sozialen Netzwerk bisher nicht beigetreten.
Umweltstadträtin Ulli Sima hat ihre Facebook-Seite ganz klar auf SPÖ-Linie getrimmt und auf ihre persönliche Website verlinkt. Diese wiederum führt kein Impressum, dafür aber eine E-Mail-Adresse des Stadtratsbüros als Kontakt auf ihrer Website an.
Die Facebook-Seite von Wissenschafts- und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) führt ebenfalls zu dessen persönlicher Website, die er selbst als Medieninhaber betreibt.
Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely dankt der SPÖ-Bezirksorganisation Leopoldstadt für die Unterstützung bei der Wien-Wahl, ihre Kontaktdaten verweisen jedoch, anders als bei Michael Ludwig, an die Partei und nicht ans Rathaus.
Ähnlich sorgsam gehen auch Stadträtin Sandra Frauenberger und Stadtrat Christian Oxonitsch (beide SPÖ) vor. Sie geben ebenfalls die Partei im Impressum an, da sie auf ihren Social-Media-Accounts im Sinne der Partei kommunizieren. Wie es sein sollte.