Teures und unfaires Spiel vor Wahlen

In Wahljahren werben Österreichs Ministerien viel. In Deutschland ist das seit 40 Jahren „unzulässige Wahlwerbung“. Ein Vergleich.

von Peter Sim

Inserate25.4.2018 

2006, 2008, 2013 und nun wieder im Jahr 2017: Immer, wenn in Österreich der Nationalrat gewählt wird, greifen die Mitglieder der Bundesregierung besonders tief in die Steuergeldtöpfe. Sie bewerben die Errungenschaften ihrer Arbeit und verschaffen sich just in Wahlkampfzeiten einen Vorteil gegenüber der Opposition.

Im Wahljahr 2017 gab Österreichs Bundesregierung 22,6 Millionen Euro für Eigenwerbung aus, 19,4 Millionen Euro davon flossen an Printmedien. Das ist der höchste Wert seit der Einführung des Medientransparenzgesetzes 2012.

Wie kostspielig und demokratiepolitisch heikel diese Praxis ist, zeigt der Vergleich mit Deutschland. Auch dort wurde 2017 bundesweit gewählt, doch trotz zehnmal größerer Bevölkerung lagen die Werbeausgaben der deutschen Bundesregierung unter jenen der österreichischen.

Das Ungleichgewicht nimmt zu

Seit drei Jahren vergleicht DOSSIER die Ausgaben der beiden Regierungen für Anzeigen in Printmedien. Neunmal teurer informiert lautete der Befund für das Jahr 2015. Fast zehnmal mehr pro Kopf und das erste Mal höhere Ausgaben für Inserate auch in absoluten Zahlen, war das Ergebnis für das Jahr 2016. Im vergangenen Jahr öffnete sich die Schere weiter.

In Österreich erreichten die Ausgaben für Regierungsinserate 19,4 Millionen Euro (exklusive Werbeabgabe und Umsatzsteuer) oder 2,21 Euro pro Kopf. Deutschland gab mit 12,3 Millionen Euro und 0,15 Euro pro Kopf einen Bruchteil davon im selben Zeitraum aus, inklusive aller Abgaben und Steuern.

Das ist sehr seltsam. Warum sollte es überhaupt Regierungsinserate im Wahlkampf geben?, sagt Politikwissenschaftler Hubert Sickinger, Experte für Parteienfinanzierung. Der Verdacht liege nahe, dass es sich hierbei um intransparente Medienförderung handle. Seine Forderung:

Man sollte Regierungsinserate ein halbes Jahr vor den Wahlen verbieten, es sei denn, es gibt einen unmittelbar einleuchtenden und dringenden Grund für die Inserate.

In Deutschland No-Go

In Deutschland schob das Bundesverfassungsgericht dieser Praxis bereits vor mehr als 40 Jahren einen Riegel vor. Damals, im Jahr 1977, nannte das Gericht Regierungsinserate im Wahlkampf unzulässige Wahlwerbung. Seither steht Regierungswerbung in Deutschland vor allem in Wahlkampfzeiten unter Beobachtung. Das Urteil wirkt bis heute.

Die geringeren Ausgaben gegenüber dem Jahr 2016 erklären sich durch die sogenannte Vorwahlzeit vor der Bundestagswahl im September 2017. In dieser Zeit ist die Bundesregierung zur werblichen Zurückhaltung aufgefordert, schreibt ein Sprecher des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf Anfrage von DOSSIER. Das Bundespresseamt schreibt von steigender Zurückhaltung und Neutralität in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung mit zunehmender Nähe zur Wahlentscheidung.

Auf Anfragen von DOSSIER streitet man in den meisten österreichischen Ministerien einen Zusammenhang der Werbeausgaben mit dem Wahlkampf ab. Lediglich im Innenministerium, damals unter der Leitung von Wolfgang Sobotka (ÖVP), wurden die erhöhten Ausgaben für Inserate auch mit der Nationalratswahl begründet: Wir informieren Wähler und Wählerinnen vor der Wahl, wollen Klarheit schaffen und so auch die Wahlbeteiligung erhöhensagte ein Sprecher zu DOSSIER.

2,6 Millionen zu 1.231,80 Euro

Im vergangenen Jahr gab das Innenministerium fast 2,6 Millionen Euro für Werbung aus. Das deutsche Innenministerium schaltete 2017 ein Inserat in der Jüdischen Allgemeinen und bezahlte dafür 1.231,80 Euro. Die Wahlbeteiligung an der Nationalratswahl in Österreich betrug 80 Prozent, die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl in Deutschland lag bei 75,6 Prozent.

Der eklatante Unterschied bei den Ausgaben für Regierungsinseraten ist für den Politologen Hubert Sickinger nur kulturell erklärbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Österreich ein objektiv so viel höheres Kommunikationsbedürfnis besteht als in Deutschland, sagt Sickinger. Wenn etwas einmal eingerissen ist, ist das nur schwer wieder abzustellen. Es brauche wohl wie in Deutschland das Urteil eines Höchstgerichtes, um vermehrte Regierungsinserate im Wahlkampf zu unterbinden.