Interview

„Sehr viele Regierungsinserate sind Verschwendung von Steuergeld“

Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserats, über die Inserate-Praktiken der öffentlichen Hand.

Inserate12.5.2015 

Die Politik erkauft sich zunehmend unkritische Berichterstattung – das ist die Erkenntnis von Alexander Warzilek. Welche Kriterien ein Gefälligkeitsinterview ausmachen und warum sich diese häufen, erklärt der Geschäftsführer des Presserats im Interview mit DOSSIER und NZZ.at .

DOSSIER und NZZ.at: Können Sie uns einen kurzen Abriss darüber geben, wie der Presserat zu seiner jüngsten Entscheidung über Gefälligkeitsinterviews in „Heute“ gekommen ist?

Alexander Warzilek: Ein Leser hat sich an den Presserat gewandt und kritisiert, dass in „Heute“ drei ganzseitige Annoncen von den Unternehmen T-Mobile, easybank und Novomatic geschaltet wurden und auf den gegenüberliegenden Seiten unkritische Interviews mit den Unternehmenschefs abgedruckt sind. Die Antworten der Chefs hatten sehr starken Werbecharakter. Außerdem waren die Interviews wie redaktionelle Beiträge gestaltet und nicht als Werbung gekennzeichnet. Der Senat kam zu der Auffassung, dass hier Gefälligkeitsinterviews vorliegen, und hat einen Ethikverstoß festgestellt. Entscheidend war auch, dass da ein gewisses System dahintersteckte – immerhin wurde in der einen Ausgabe dreimal auf das gleiche Schema zurückgegriffen. Es hat hier entweder eine Einflussnahme seitens der Unternehmen gegeben oder seitens der Anzeigenabteilung, der Herausgeberin oder der Eigentümer. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass die Journalisten hier unabhängig und frei agieren konnten.

Was sind denn Merkmale für Gefälligkeitsinterviews?
Wenn der Werbecharakter der Antworten im Interview sehr stark überwiegt. Dann muss man davon ausgehen, dass es zu einer Einflussnahme gekommen ist und nicht unabhängig berichtet wurde.

Haben Sie ein Beispiel dafür, ab wann ein Artikel unkritisch ist?
Man muss sich das im Einzelfall ansehen, aber wenn die Werbebotschaft so stark im Vordergrund steht und die Antworten in einem Interview einer Werbebroschüre gleichkommen, dann ist davon auszugehen, dass es nicht unabhängig von der Redaktion gestaltet werden konnte.

Nimmt gekaufte Berichterstattung zu?
Ja. Die Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbung wird immer stärker in den Vordergrund treten, weil die Medien – insbesondere jene, die ein Finanzierungsproblem haben – häufiger auf derartige Deals eingehen, als es früher der Fall war.

Bekommt der Presserat mehr derartige Fälle gemeldet?
Die Zahl ist deutlich gestiegen.

Mit den Merkmalen im Hinterkopf, die den Presserat zu seiner jüngsten Entscheidung gegen „Heute“ geführt haben, wie bewerten Sie diesen Artikel aus dem VORmagazin?

Wohlwollende Berichterstattung aufgrund von Geldflüssen – wird das in Österreich besonders lax gehandhabt?
Wir haben in Österreich natürlich ein Thema mit den Regierungsinseraten, da fließt sehr viel Geld. Die Politik erwartet sich eine positive Berichterstattung durch die Fütterung gewisser Medien mit Inseraten. Umgekehrt gibt es auch Herausgeber und Medieneigentümer, die Druck auf Politiker ausüben, damit sie Inserate schalten – ansonsten fällt die Berichterstattung nicht positiv aus. Ich finde es aus ethischer Sicht bedenklich, dass so viele Gelder in Regierungsinserate fließen. Der Informationsgehalt dieser Einschaltungen ist enden wollend, um das diplomatisch zu sagen. Wenn man einen Blick nach Deutschland wirft, ist es dort um einiges transparenter und es wird viel weniger Geld in Regierungsinserate gesteckt. Sehr viele Regierungsinserate sind Verschwendung von Steuergeld.

Die Bundesregierung hat in drei Jahren rund eine halbe Milliarde Euro für Eigenwerbung ausgegeben. Sollte es eine Deckelung geben?
Ich glaube, dass man die Inserate massiv zurückfahren sollte. Das freigewordene Geld sollte in die Presseförderung fließen, die anhand von Qualitätsmerkmalen vergeben wird. Ein Kriterium wäre, ob sich ein Medium dem Presserat verpflichtet hat oder nicht.

Wie aus dem Impressum des VORmagazins herausgeht, unterwirft sich das Magazin dem Ehrenkodex des Presserats. Sehen Sie den Ehrenkodex eingehalten?
Wir schauen uns das bei einzelnen Artikeln an, nicht für ein Medium generell. Wenn man sich dem Ehrenkodex des Presserats unterwirft, bedeutet das, dass man im Beschwerdeverfahren verpflichtet werden kann, eine negative Entscheidung abdrucken zu müssen. Außerdem heißt das, dass man sich den medienethischen Prinzipien des Kodex verpflichtet fühlt. „Heute“ hat sich diesem Kodex nicht verpflichtet und druckt die jeweilige Entscheidung daher auch nicht ab.

Der Rechnungshof hat in allen bisher veröffentlichten Berichten zu den Medientransparenzdaten die schlechte Einhaltung der Kennzeichnungspflicht von Werbung kritisiert. In Kärnten beispielsweise waren nur drei von 336 Meldungen als solche ausgewiesen.
Die mangelhafte Kennzeichnung von Werbung ist ein weiteres Problem in Österreich. Allerdings: Wenn eindeutig erkennbar ist, dass es sich um Werbung handelt, darf die Kennzeichnung entfallen.

Ab wann handelt es sich um Schleichwerbung?
Wenn das Ganze so gestaltet ist wie ein redaktioneller Beitrag, in Wahrheit aber bezahlt oder aus reiner Gefälligkeit verfasst wurde. Es reicht auch schon aus, dass die Gestaltung in diese Richtung geht oder die Werbung nicht gut erkennbar und nicht gekennzeichnet ist.