Neunmal teurer informiert

Die Werbeausgaben öffentlicher Stellen gehen langsam zurück. Trotzdem: Die österreichische Bundesregierung gab 2015 fast genau so viel Geld für Inserate aus wie die deutsche.

Inserate15.12.2016 

Sind Österreicherinnen und Österreicher besser informiert als Deutsche? Oder sind wir deutlich dümmer als unsere Nachbarn? Kabarettist Florian Scheuba stellt in seinem aktuellen Programm „Bilanz mit Frisur“ Zweiteres in den Raum – die unverhältnismäßig hohen Ausgaben der Republik Österreich für Eigenwerbung lassen beide Interpretationen zu.

DOSSIER hat die Werbeausgaben der österreichischen Bundesregierung mit jenen der deutschen verglichen und dazu Daten sämtlicher deutscher Ministerien abgefragt: Im Jahr 2015 inserierte die heimische Regierung für 13,6 Millionen Euro in Printmedien, deutsche Ministerien gaben im selben Zeitraum fast gleich viel aus: 13,7 Millionen Euro. Macht pro Kopf 1,56 Euro Steuergeld in Österreich zu knapp 17 Cent in Deutschland. Ob besser informiert oder dümmer: Österreichs Bundesregierung wirbt pro Kopf mehr als neunmal so viel.

Vergleicht man die Anzeigentarife der Zeitungen in den jeweiligen Ländern, wird die Diskrepanz noch deutlicher. So kostet ein ganzseitiges Inserat beim Marktführer Kronen Zeitung laut Listenpreis 32.000 Euro. In der Bild-Zeitung, dem deutschen Marktführer, müssen Werber pro Seite knapp eine halbe Million Euro bezahlen – das liegt nicht einzig am größeren Format. Die Bild erreicht pro Ausgabe fast zehn Millionen Leserinnen und Leser, die Kronen Zeitung 2,3 Millionen. Der Vergleich zeigt: Das Sparpotenzial in Österreich ist enorm.

Tatsächlich unterscheiden sich Österreicher und Deutsche wohl weder bei der Intelligenz noch bei ihrem Informationsbedürfnis signifikant. Der Grund für die unverhältnismäßig hohen öffentlichen Ausgaben für Inserate in Österreichs Zeitungen dürfte eher in der jahrelangen Praxis der sogenannten inoffiziellen Presseförderung liegen – ein System, in dem die Politik riesige Werbebudgets an Zeitungen verteilt und damit gegenseitige Abhängigkeiten schafft.

„Die öffentlichen Ausgaben für Werbung liegen in Österreich bei rund 200 Millionen Euro im Jahr. Mit knapp 15 Millionen liegt der Anteil der Bundesministerien an den Gesamtausgaben bei rund sieben Prozent“, sagt Österreichs Medienminister Thomas Drozda (SPÖ). Für eine Reduktion sei er als Minister nicht zuständig. Er könne lediglich auf die Ausgaben seines Ressorts einwirken: „Die Werbeausgaben für das Bundeskanzleramt werden 2016 unter jenen des Vorjahres liegen.“ Doch was wurde aus Drozdas Ankündigung, die „Inseratenetats sukzessive zu kürzen“? „Mit der Stadt Wien gab es diesbezüglich Gespräche, und nach meinem Informationsstand hat die Stadt Wien ihre Werbeausgaben für das heurige Jahr gesenkt“, sagt Drozda zu DOSSIER.

„Taten statt Inserate“

Für eine Reduktion der Werbeausgaben der Regierung sprach sich auch der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kurz nach seinem Amtsantritt aus: „Ich wüsste gar nicht, wo die Mitglieder der Bundesregierung inserieren sollen", sagte er am 17. Mai 2016 dem Moderator der ZiB 2, Armin Wolf, und kündigte an: "Unsere vorrangige Aufgabe ist es nicht zu inserieren, sondern Politik zu machen, Taten zu setzten und klar identifizierbar zu machen, was wir für das Land tun.“

Der Apell scheint zu wirken. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres sinken sowohl bei der Stadt Wien als auch beim Bundeskanzleramt die Werbeausgaben – bei der Stadt Wien von 23,3 Millionen auf 14,5 Millionen Euro, beim Bundeskanzleramt von 2,1 Millionen auf 1,6 Millionen Euro. Der leichte Abwärtstrend der vergangenen Jahre setzt sich auch bei den Gesamtausgaben der öffentlichen Hand fort.

Gesamtausgaben für Werbung öffentlicher Stellen

Der große Wurf ist das nicht. Allein in den ersten drei Quartalen 2016 flossen noch immer mehr als 117 Millionen Euro in Form von Inseraten und Medienkooperationen an Österreichs Medien. Zum Vergleich: Die offizielle Presseförderung beträgt heuer 8,5 Millionen Euro - für das ganze Jahr.