Inserieren für die Volkspartei

Zwei Teilorganisationen der ÖVP Niederösterreich informieren Mitglieder mit Magazinen. Durch einen Trick liegen Inseratengelder nicht offen.

Von Oliver Herrmann-Preschnofsky, Eja Kapeller, Peter Schöggl und Ines Wancura

Inserate19.1.2018 

„Auch wenn Sebastian Kurz und die neue ÖVP seit Wochen in den Umfragen führen, müssen wir bis zur letzten Minute laufen“, steht im September 2017, dem Monat vor der Nationalratswahl, im Editorial des Magazins NÖ Gemeinde.

„Alle für ‚Die neue Volkspartei‘ – alle für Sebastian Kurz“, heißt es im Editorial eines anderen Magazins: Arbeiten für Niederösterreich. Der Autor: Wolfgang Sobotka.

Dass die Magazine auf Linie mit der ÖVP sind, überrascht nicht: Dahinter stehen zwei mächtige Teilorganisationen der ÖVP Niederösterreich – de facto sind es Parteizeitungen. Dass Parteien in ihren Publikationen für sich werben, ist ihr gutes Recht. Wenn sie die Einnahmen aus Inseraten nicht offenlegen, ist das problematisch.

Recherchen von DOSSIER zeigen, wie die ÖVP Niederösterreich von einer Form der indirekten Parteifinanzierung profitiert: Arbeiten für Niederösterreich des Niederösterreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (NÖAAB) und die NÖ Gemeinde des NÖ Gemeindebundes, dem Gemeindevertreterverband der ÖVP Niederösterreich, finanzieren sich zum Teil durch Inserate – ohne dass die Partei Rechenschaft für die Geldflüsse ablegen muss. Dabei zählen ÖVP-nahe Unternehmen zu den Geldgebern, im Fall der NÖ Gemeinde zu großen Teilen auch die öffentliche Hand.

Ein einfacher Trick

Seit 2012 zielt das Parteiengesetz auf die Nachvollziehbarkeit einer Form von Parteifinanzierung ab: Inserate in Parteipublikationen. Um diese Zahlungen transparent zu machen, müssen Inserate über 3.500 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien ausgewiesen werden. Die Meldepflicht gilt für Publikationen, deren Medieninhaber eine politische Partei oder eine Teilorganisation dieser ist. Dass die Inseratenschaltungen in den Magazinen des NÖAAB und des NÖ Gemeindebundes nicht in den Berichten der ÖVP aufscheinen, liegt an einem einfachen Trick.

Den beiden Parteiorganisationen gehört der jeweilige Titel zwar, sie beauftragen jedoch Dritte mit Produktion, Vertrieb und Anzeigengeschäft. So steht hinter Arbeiten für Niederösterreich mit dem NÖAAB zwar die wohl mächtigste Teilorganisation in Niederösterreichs Volkspartei – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist Landesobmann des NÖAAB, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner vertritt den Bund im Land Niederösterreich –, verlegt wird das Magazin aber von einem privaten Verein.

Enge personelle Verbindungen

Hier wie dort haben dieselben Personen leitende Funktionen. Sandra Kern etwa. Sie führt die Geschäfte des NÖABB und ist auch Geschäftsführerin des Niederösterreichischen Pressverein-Zeitungsverlags. Vereinsobfrau Angela Stransky wiederum ist Landesfinanzreferentin des schwarzen Arbeitnehmerbundes. Auch der frühere NÖAAB-Landesobmann Michael Spindelegger und sein Nachfolger Wolfgang Sobotka waren im Verein aktiv – als Vereinsobmann und dessen Stellvertreter. Seine Nähe zu dem Verein hat der NÖAAB auf Anfrage von DOSSIER nicht kommentiert.

Der Pressverein bestätigt hingegen, dass er nicht der Meldepflicht des Parteiengesetzes unterliegt: „Da der Pressverein keine Gliederung einer Partei oder einer nahestehenden Organisation im Sinne des Gesetzes ist, unterliegen die Einnahmen aus Inseraten in Medien, deren Medieninhaber der NÖ Pressverein ist, ungeachtet deren Höhe keiner Auskunfts- und Meldepflicht oder sonstigen Regelungen nach dem Parteiengesetz 2012.“

Hunderttausende Euro im Jahr

So fließt einiges am Parteiengesetz vorbei in das Mitgliedermagazin des NÖAAB. Die Niederösterreichische Versicherung AG, zu 100 Prozent im Eigentum der Landeslandwirtschaftskammer, schaltete von 2015 bis 2017 für einen Bruttowerbewert von 90.000 Euro. Damit ist sie im selben Zeitraum zweitstärkster Anzeigenkunde des Magazins.

Auch andere Werbekunden sind der ÖVP Niederösterreich bestens bekannt: DOSSIER-Erhebungen zeigen, dass die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien um 60.000 Euro inserierte. Die Arge Wohnen, ein Zusammenschluss niederösterreichischer Wohnbaugenossenschaften, schaltete 90.000 Euro, die NÖ Wohnbaugruppe 110.000 Euro (alles Bruttowerbewerte).

Geschäftsführer der NÖ Wohnbaugruppe Service GmbH sowie Vorstandsmitglied der Arge Wohnen war bis 2008 Landesgeschäftsführer im NÖAAB – damals war er auch in der Geschäftsführung des NÖ Pressevereins. Noch aktiv ist der Obmannstellvertreter der Arge Wohnen: Er ist Rechnungsprüfer des Vereins. Natürlich kann auch die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich mit Kontakten zum NÖAAB glänzen: NÖAAB-Finanzlandesreferentin Stransky leitet die Geschäfte von zwei Raiffeisen-Töchtern.

Indirekte Parteienfinanzierung

Wie der Verein die Zeitschrift finanziert, blieb auf Anfrage unbeantwortet. Fest steht: Einnahmen aus Inseraten spielen eine zentrale Rolle. Sie werden laut Vereinsvorstand zur Abdeckung der Druck- und Versandkosten verwendet. „Wenn ein Parteimagazin durch Inserate finanziert wird, dann liegt indirekte Parteienfinanzierung vor, da sich die Parteiorganisation Aufwendungen für die Zeitschrift erspart“, sagt Hubert Sickinger, Experte für Parteifinanzen an der Universität Wien.

Inserate in Parteipublikationen sind heikel: Ihnen kann eine entsprechende Leistung gegenüberstehen, oft erfüllen sie aber den Zweck einer Parteispende – doch im Gegensatz zu einer solchen sind sie steuerlich absetzbar. „Aus diesem Grund wurde in das Parteiengesetz auch eine Rechenschaftspflicht über Inserate aufgenommen“, so Sickinger. Die Inserate im Magazin des NÖAAB wird man im Rechenschaftsbericht der ÖVP jedoch nicht finden.

Gleiches Schema

Dasselbe gilt für die Zeitschrift des NÖ Gemeindebundes. Medieninhaber ist die Österreichische Kommunalverlag GmbH. Dafür zahlt der NÖ Gemeindebund einen Druckkostenbeitrag, der rund 25 Prozent der Finanzierung abdecken soll.

„Der Rest finanziert sich über den Markt“, sagt Geschäftsführer Michael Zimper. Also über Einnahmen durch Inserate. Erhebungen von DOSSIER zeigen, dass rund 43 Prozent des gesamten Bruttoinseratenvolumens seit 2012 vom Land und seinen Unternehmen kommen. 

Auch die Medientransparenzdaten belegen, wie fleißig Niederösterreichs öffentliche Hand im Parteimagazin schaltet. Insgesamt erhielt die NÖ Gemeinde seit Mitte 2012 411.525 Euro von öffentlichen Stellen und landespolitikdominierten Unternehmen. Rund 78 Prozent oder 320.498 Euro kamen dabei vom Land Niederösterreich und seinen Unternehmen.

Besonders viel inserierte die Hypo NOE Gruppe Bank AG: 181.396 Euro. Noch mehr schaltete die Bank in den Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN). Hier waren es 190.132 Euro – jedoch für eine von der Österreichischen Auflagenkontrolle geprüfte verbreitete Auflage von 109.615 Stück. Die NÖ Gemeinde weist eine Auflage von 12.800 Stück aus.

Der NÖ Gemeindebund teilte auf DOSSIER-Anfrage mit, dass es sich bei der Verlagskonstruktion um keine bewusste Umgehung des Parteiengesetzes handle. Die Inserenten würden in ihren Schaltungen nichts Ungewöhnliches sehen, mit dem Magazin werde eine wichtige Zielgruppe erreicht.