DOSSIER und NZZ.at: Die Grünen haben vor ihrer Regierungsbeteiligung im Herbst 2010 die Inserate-Praktiken der Stadt Wien noch öffentlich angeprangert. Warum sind die kritischen Stimmen seither verstummt?
David Ellensohn: Wir sind auch heute noch der Meinung, dass das Werbevolumen der Stadt Wien und ihrer Unternehmen zu hoch ist. Wir haben intern unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die öffentliche Hand überhaupt, oder wenn ja, in welchem Ausmaß inserieren darf. Wir waren uns aber immer einig, dass das jetzige Werbevolumen zu hoch ist – vor allem im Vergleich zu den anderen Bundesländern.
Kann man sich wohlwollende Berichte kaufen?
Die Berichterstattung in Krone, Österreich und Heute ist nicht pro SPÖ, aber sie ist pro Faymann und Häupl. Du findest in den Zeitungen keine einzige Zeile, die etwas Kritisches über die beiden gesagt hätte. Im Wahlkampf reicht es völlig, wenn die Nummer 1 geschont wird. Also offensichtlich bringen sich Inserate etwas. Maria Vassilakou wird überhaupt nicht verschont – im Gegenteil. Es ist okay, wenn kritisch berichtet wird, aber dass die SPÖ ausgelassen wird, ist nicht in Ordnung.
Wie hoch ist das tatsächliche Werbebudget der Stadt?
Der PID (Anm.: Presse- und Informationsdienst) verfügt jährlich über etwa 50 Millionen Euro. Da sind alle Ausgaben miteinberechnet, nicht nur Inserate. Die drei großen Boulevardmedien erhalten allein von der Stadt etwa zehn Millionen Euro im Jahr. Dass das zu hoch ist, habe ich immer scharf kritisiert.
Das millionenschwere Budget ist nicht gerade gleich verteilt zwischen Boulevard und Qualitätspresse. Woran liegt das?
Der Standard bekommt etwa 950.000 Euro im Jahr.
Verglichen mit dem Löwenanteil an den Boulevard?
Ich bin echt der Letzte, der die Kronen Zeitung verteidigt, aber ein Verhältnis 3,5 Millionen zu einer Million?
Laut Medientransparenzdaten hat die Stadt Wien im Vorjahr um 690.000 Euro im Standard inseriert, in der Kronen Zeitung um 4,36 Millionen Euro und in Heute um 4,4 Millionen. Finden Sie das angemessen?
Für die SPÖ gibt es drei Währungen in der Stadt: Krone, Österreich und Heute. Wenn dort schlecht über sie geschrieben wird, wird die SPÖ zerstört, davon sind sie überzeugt. Würden die Grünen alleine regieren, sähe das anders aus. Inserate müssten inhaltlichen Kriterien entsprechen, Medienunternehmen könnten je nach Größe und Mitarbeiterprogrammen gefördert werden.
Welche Forderungen haben die Grünen konkret in Bezug auf Inseratenvergabe der Stadt?
Ich finde es gerechtfertigt, dass die öffentliche Hand sich gegen die privaten Angebote stellt. Ein cooles Image der Wiener Linien macht einen Unterschied bei Jugendlichen, ob sie mit dem Auto fahren oder nicht.
Wir sind uns darüber einig, dass die Politik kommunizieren darf. Die Frage ist, ob sie mit dem Geld auch Einfluss auf die Berichterstattung nimmt?
Es sind eindeutig Medien dabei, in denen nur um des Inserieren willen inseriert wird. Der Informationswert, dass heuer Silvester auf den letzten Tag des Jahres fällt, ist gering. Aber es gibt auch gute Kampagnen, zum Beispiel jene über gleichgeschlechtliche Pflegeeltern. Selbstverständlich kann man die Hälfte der Inserate wegstreichen.
Und da bestand keine Chance während der ganzen Regierungszeit?
Wir sind 2010 in die Koalition gekommen und haben unsere Positionen verhandelt, zum Beispiel die Öffi-Preise senken, eine Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße realisieren und eben das Inseratenbudget kürzen. Es war sehr schnell klar, was das wichtigste Projekt für die SPÖ war, und an dem gab es nichts zu rütteln.
War das Hinnehmen des PID-Budgets also Koalitionsvereinbarung?
Ich habe mich zwischendurch gefragt, ob ich ein Polemiker bin. Aber es gab tatsächlich nichts anderes, was sie so verteidigt haben. Es war nicht möglich, über die Höhe der Werbeausgaben zu sprechen.
Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Bei Koalitionsverhandlungen legen beide Parteien ihre Anliegen auf den Tisch, bei manchem, wie dem Gratiskindergarten, ist man sich schnell einig, bei anderen Themen nicht. Bei den Inseraten war die Antwort der SPÖ eindeutig: Über die Höhe reden wir nicht und wie wir es auslegen, können wir uns ja von Kampagne zu Kampagne anschauen. Die Inserate waren einfach kein Thema, das man besprechen konnte – so wie jetzt auch niemand von der SPÖ darüber spricht.
Seit 2011 entscheiden die Grünen beim Budget mit. Seither ist auch das PID-Budget angestiegen: Die Summe für reine Inserate hat sich von zehn auf 20 Millionen Euro verdoppelt.
Das kann nicht sein. Das Problem mit dem Budget ist, dass die Töpfe ständig hin und her geschoben werden.
Im Voranschlag für 2014 stehen knapp zehn Millionen für „Direktinformationen“ – also Inserate – drin, 2015 sind es 20 Millionen. (Seite 25) Wieso stimmen die Grünen einer Verdoppelung des Inseraten-Budgets zu?
Das ist keine Verdoppelung: Beim Voranschlag 2015 wurde der gesamte Posten „086 – Leistungsentgelte für Medienfullservice“ (Anm. Bohmann-Verlag) dem Posten „082 – Leistungsentgelte für Direktinformation“ zugerechnet, es ist also nur verschoben worden und hat sich sogar verringert. Außerdem ist 2015 die Wien-Wahl, da gibt es immer höhere Ausgaben.
Insgesamt ist das PID-Budget dennoch gestiegen. Die Stadt Wien hat mit grüner Zustimmung die Werbekampagne für die Plattform „Wien will’s wissen“ mit 1,95 Millionen Euro finanziert.
Diese Kampagne hat es bereits vorher gegeben. In einer Koalition passieren Sachen, die beide gut finden und Sachen, die nur einer gut findet.
Worum geht es in dieser Kampagne eigentlich?
In dem Antrag für die Werbemittel hieß es damals, auf „Wien will’s wissen“ werden Bürger mit den Institutionen der Stadt vernetzt und können Vorschläge einbringen. Das ist ja im Grunde eine gute Sache, nur kenne ich bis jetzt keine einzige Evaluierung. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass daraus ein Mehraufwand für meine persönliche Arbeit als Politiker entstanden wäre – und das ist schon seltsam genug.
Sie haben vor kurzem gesagt, dass Sie das Inseratenvolumen in einer neuen Regierung reduzieren wollen. Gleichzeitig haben Sie selbst fast zwei Millionen Euro Werbebudget für eine Kampagne freigegeben, die Sie als seltsam und ineffizient bezeichnen.
Da sind wir wieder bei der Koalition. Ein Partner kann sich nicht in allen Fragen durchsetzen. Die SPÖ wünscht sich zwischendurch etwas, und wir wünschen uns zwischendurch etwas.
War das Ihre Strategie, um ein anderes Grünen-Projekt umzusetzen?
In einem System von Forderungen muss man eben an einer Stelle nachgeben, damit man anderswo ein Entgegenkommen findet. Man kann sich auch gegenseitig blockieren, aber das führt zu nichts.
Haben die Grünen denn versucht, die „Wien will’s wissen“-Kampagne zu blockieren?
Sie ist zumindest nicht so schnell zustande gekommen, wie es gedacht war.
Die Grünen entscheiden alles basisdemokratisch. Laut unseren Informationen haben nicht alle der Kampagne zugestimmt.
Für manche ist es nach einer Diskussion schwer, die gemeinsame Entscheidung nach außen zu tragen, und es verlässt sie ihr Erinnerungsvermögen auf Dauer.
Anmerkung: Der Vollständigkeit halber wollte David Ellensohn nach der Veröffentlichung des Interviews das Abstimmungsergebnis des Grünen Klubs zur „Wien wills wissen“- Kampagne präzisieren: Die Abgeordneten stimmten mit 5:3 Stimmen für Budgetfreigabe dieser Kampagne.