Das Schweigen der Prüfer

Das Kontrollamt prüfte, wie viel die Stadt Wien für Werbung ausgibt. Der Endbericht ist ein weiteres Zeugnis der Wiener Intransparenz.

Inserate31.1.2013 

Das berechtigte wirtschaftliche Interesse auf Geheimhaltung ist nicht gegeben.

Thomas Garber, Assistenzprofessor für Zivilrecht an der Karl-Franzens-Universität

Über ein Jahr lang waren die Prüferinnen und Prüfer am Werk. 70 Magistratsabteilungen, 128 Unternehmen, 57 Fonds und Stiftungen, die alle der Stadt Wien gehören, nahmen sie unter die Lupe. Sie forderten Daten an, sammelten und sichteten diese, zogen Stichproben, kontrollierten und addierten. Ihr Unterfangen: die "Prüfung von Aufträgen an Medienunternehmen", wie es die FPÖ in ihrem Prüfersuchen an das Kontrollamt der Stadt Wien im September 2011 formuliert hatte. 

Bevor sie im Dezember 2012 ihren Bericht präsentieren konnten, galt es für die Prüferinnen und Prüfer herauszufinden, wie viel Geld die Stadt Wien und ihre Betriebe in den Jahren 2009 und 2010 für Werbung in Print-, Online- und audiovisuellen Medien ausgeben hatten; an welche Medien konkret wie viel Geld geflossen war; und ob Steuergeld ordnungsgemäß, zweckmäßig, wirtschaftlich, kurzum sinnvoll und sparsam eingesetzt worden war.

Das Ergebnis: 101 Millionen Euro, exklusive Abgaben und Steuern. So viel waren der Stadt und ihren Unternehmen Inserate, audiovisuelle und Onlinewerbung wert - in zwei Jahren. Eine beeindruckende Zahl. Darüber, wie sich die millionenschweren Werbebudgets jedoch im Einzelnen verteilen, sagt sie wenig aus. Genau diese Frage hatte die politische Opposition in Wien jahrelang zu klären versucht. Immer wieder, im Abstand von jeweils rund zwei Jahren, hatten sich grüne, blaue und schwarze Abgeordnete im Wiener Gemeinderat erkundigt, welche Medien wie viel Steuergeld für Inseratenschaltungen und Medienkooperationen erhalten. Wiens Stadträtinnen und Stadträte weigerten sich, ihre Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit offenzulegen. Ihre Begründung: Eine solche Erhebung sei "wirtschaftlich nicht gerechtfertigt".

Keine Offenlegung

Im Prüfersuchen an das Kontrollamt wurde "insbesondere um eine konkrete Aufschlüsselung" der jeweiligen Medien ersucht. Endlich, so schien es, stand die vermeintliche Unwirtschaftlichkeit der Erhebung nicht mehr im Weg. Im Zuge seiner Prüfung holte das Kontrollamt alle nötigen Zahlen ein - und entschied sich, diese nicht offenzulegen. Waren es bisher die politisch Verantwortlichen, die sich in Schweigen hüllten, setzt nun das Kontrollamt jene Spirale fort, die DOSSIER in seiner ersten Geschichte beschrieben hatte.

Der Bericht, den das Kontrollamt im Dezember 2012 veröffentlichte, ist ein weiteres Zeugnis der Wiener Intransparenz. Anstatt die einzelnen Medien, in denen die Gemeinde Werbung kaufte, aufzulisten, gibt das Kontrollamt nur Gesamtbeträge an. Das Kontrollamt Wien argumentiert, die Offenlegung der einzelnen Posten sei als "Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu qualifizieren". Eine Erklärung, die nicht nur aus Perspektive des jüngst in Kraft getretenen Medientransparenzgesetzes absurd ist. Seit dem dritten Quartal des Jahres 2012 sind nämlich ohnehin alle öffentlichen Stellen gesetzlich verpflichtet, diese Daten zu veröffentlichen.

Geheimhaltung hinfällig

Auch aus juristischer Sicht ist das Vorgehen des Wiener Kontrollamts fragwürdig. Selbst jener Zivilrechtsexperte, auf den sich das Kontrollamt Wien in seinem Bericht beruft, sieht die Rechtslage völlig anders. "Das berechtigte wirtschaftliche Interesse auf Geheimhaltung ist in diesem Fall nicht gegeben", sagt Thomas Garber, Assistenzprofessor für Zivilrecht an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Warum auch? Die Stadt verteilt öffentliche Gelder, Medien nehmen öffentliche Aufträge an - und die Prüfer des Kontrollamts bestehen darauf, die Zahlen geheim zu halten. Gegenüber DOSSIER antwortete Kontrollamtsdirektor Peter Pollak endgültig: "Zu ihrer Anfrage betreffend, KA-Bericht 53 wird mitgeteilt, dass zu veröffentlichten Berichten keine ergänzenden Erklärungen abgegeben werden."

Dass es transparentere Lösungen gibt, zeigt der Österreichische Rechnungshof in einem ähnlichen Fall. Die Prüfinstanz des Bundes hatte die Öffentlichkeitsarbeit der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) untersucht. In seinem Bericht, der wenige Monate vor dem Kontrollamtsbericht erschien, schlüsselt der Bundesrechnungshof die einzelnen Medien, in denen Anzeigen geschaltet wurden, auf – anonymisiert und mit ihrer jeweiligen Reichweite. Doris Grabherr, Sprecherin des Rechnungshofes, sagt dazu: "Die Aufschlüsselung war unbedingt notwendig, um zu zeigen, ob sich der jeweilige Aufwand in der Reichweite des Mediums widerspiegelt." Dies sei essenziell gewesen, "um dem Nationalrat umfassend Bericht erstatten zu können."