Interview

„Ein Verfall der guten Sitten“

PR-Expertin Renate Skoff über den „Verfall der guten Sitten“ in der Medienbranche.

»Österreich«8.9.2016 

„Spitzenpolitiker haben vorexerziert, dass man sich die Gunst von Medien kaufen kann“, sagt Renate Skoff. Über vierzig Jahre arbeitete sie in der PR-Branche – was Schleichwerbung betrifft, sei die Situation heute „ungleich dramatischer“ als früher.

DOSSIER: Wie beurteilen Sie die österreichische Medienlandschaft in Bezug auf Schleichwerbung?
Skoff: Schleichwerbung gab es schon, als ich 1971 begonnen habe in der PR zu arbeiten. Heute ist die Situation ungleich dramatischer. Ich wage zu behaupten, dass es heute kaum mehr ein Medium gibt – Qualitätsmedien eingeschlossen –, das Inseratenkunden nicht irgendwie „pflegt“. Fast in jedem Medium findet man Sonderseiten, Themenbeilagen, Extras oder Specials – also die unterschiedlichsten Formen von Schleichwerbung. Die wenigsten sind korrekt gekennzeichnet.

Was hat sich konkret verändert?
Der Unterschied zu früher ist eklatant: Sowohl von der Menge der fragwürdigen Geschäfte, als auch die Dreistigkeit, mit der sie manche Medien und Unternehmen betreiben. Agenturen kann ich da leider auch nicht ausnehmen. Bedenklich ist die Situation bei den Fachmedien, die meisten könnten ohne Gegengeschäfte und Gefälligkeitsberichterstattung wahrscheinlich nicht überleben. Die unverblümtesten Methoden findet man allerdings beim Boulevard - der versucht nicht einmal, den Schein zu wahren.

Woran glauben Sie liegt das?
In den letzten Jahren ist es in der Gesellschaft – und damit auch in der Kommunikationsbranche – zu einem Verfall der guten Sitten gekommen, der von ganz oben ausging. Spitzenpolitiker haben lange Zeit vorexerziert, dass man sich die Gunst von Medien kaufen kann – man denke nur an die Inseratenaffäre des ehemaligen Bundeskanzlers Werner Faymann. Das hatte sicher Auswirkungen auf die PR-Branche, allerdings keine guten. Nach dem Motto „Wenn die das machen, darf ich das auch“ sind die Barrieren langsam gebröckelt und das Tricksen bei der Kennzeichnung wurde salonfähig. 

Wie wirkt sich das auf die Arbeit in der PR-Branche aus? 
Das Unrechtsbewusstsein ist verloren gegangen. Was wir brauchen, ist ein neues ethisches Bewusstsein in der Kommunikationsbranche; wir brauchen neue moralische Standards, die gelebt werden – und zwar bei allen Mitspielern: Medien, Unternehmen und Agenturen, die aufgefordert sind, ihre Kunden entsprechend zu beraten. Unternehmen sollten wissen, dass Schleichwerbung die Konsumenten hinters Licht führt, kontraproduktiv ist und der Glaubwürdigkeit schadet.

Unseren Recherchen zufolge werden Verstöße gegen Paragraf 26 Mediengesetz in Österreich von Behörden nicht verfolgt.
Seit Jahren wiederholen Medienanwälte gebetsmühlenartig, dass der Paragraf 26 totes Recht ist und Verstöße dagegen nur ganz selten geahndet werden. Generell kann man aber sagen, dass das Gesetz hinsichtlich der Kennzeichnung bezahlter redaktioneller Inhalte in der Praxis nicht viel Gewicht hat. 

Warum nicht?
Ich halte den Paragrafen 26 für dringend reformbedürftig. Er deckt in der bestehenden Form nur mehr einen Bruchteil der aktuellen Sonderwerbeformen ab und ist dadurch längst nicht mehr zeitgemäß.

Was würden Sie konkret ändern?
Ich wäre dafür, bezahlte Flächen im redaktionellen Umfeld jedenfalls zu kennzeichnen, da es gerade hier immer wieder Unsicherheiten gibt, ob ein solcher Beitrag von der Gestaltung her auch bei flüchtiger Betrachtung als Werbung erkennbar ist. Hier passieren die meisten Verstöße. Das könnte man durch eine verpflichtende Kennzeichnung leicht lösen, die aber – wenn sie nicht eingehalten wird – auch geahndet werden müsste. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Regulierungsbehörde KommAustria die Aufsicht für die Einhaltung der Bestimmungen des Mediengesetzes übernimmt, in denen es um Fragen des Impressums, der Offenlegung und der Kennzeichnung geht. Derzeit ist die Bezirksverwaltungsbehörde beziehungsweise unter gewissen Umständen die Landespolizeidirektion zuständig, die nach Meinung von Experten kaum tätig wird.