Doppeltes Spiel

Seit Jahren kritisieren die Österreichischen Lotterien illegale Onlinecasinos. Zu Recht: Denn dort verlieren Menschen mitunter in kurzer Zeit sehr viel Geld. Doch genau mit diesen Anbietern machten die Lotterien selbst Geschäfte.

Glücksspiel25.6.2024 

Text: Nikolai Atefie, Christoph Bendas (ORF), Benjamin ­Breitegger, Wojciech Michalak

Illustration: Julius Maxim

 

Diese Recherche erfolgte in inhaltlicher Zusammenarbeit mit der ZiB2-Redaktion des ORF

»Wir tragen Verantwortung«, ist auf der Website der Österreichischen Lotterien zu lesen. Und auch bei Win2day, dem Onlinecasino der Lotterien, schreibt man Fairplay groß. Man biete »volle Transparenz und Fairness«, und die beginne bei Win2day »schon vor dem Spiel«. Bereits bei der Spielauswahl werde auf Spielmodi verzichtet, »die hohe Geldverluste in kurzer Zeit fördern«. Auch die möglichen Verluste werden begrenzt. 

Pro Woche können Menschen über 26 Jahre maximal 400 Euro verspielen, das Limit für jüngere Erwachsene liegt bei 250 Euro. Höhere Einzahlungsbeträge sind zwar möglich, bedürfen aber einer »gesonderten Prüfung«. Auch ein tägliches Spielzeitlimit ist Pflicht. Das macht man aus gutem Grund: um den Spielerschutz zu gewährleisten. 

Denn in Österreich haben nur die teilstaatlichen Lotterien mit ihrer Website Win2day eine Online-Glücksspielkonzession. Einarmige Banditen, Poker oder Roulette im Internet: Nur Win2day darf sie anbieten. Oder besser: dürfte.

Denn es gibt eine Vielzahl von Onlinecasinos, die sich an österreichische Spieler·innen richten und illegal sind, wie DOSSIER mehrfach berichtete. Der Höchsteinsatz kann dort schon einmal bei 50.000 Euro liegen – nicht pro Woche oder Monat, pro Spiel. Außerdem teilen illegale Anbieter keine Daten über gesperrte Spieler·innen; eine auf einer Casinoseite gesperrte, spielsüchtige Person kann so einfach zur nächsten Seite weiterziehen.

Gute Miene zum bösen Spiel

Das ärgert den Konzernchef der Casinos Austria, Erwin van Lambaart, der das Mutterunternehmen der Lotterien führt. »Diese illegalen Angebote fördern die Spielsucht. Problemspieler entstehen zu 90 und mehr Prozent im Internet in diesem illegalen Bereich«, beschwerte sich van Lambaart etwa vergangenen Sommer in den Salzburger Nachrichten.

Ein Detail lässt der höchstrangige Glücksspielmanager des Landes in Interviews jedoch aus – es bringt die Erzählung von den bösen Illegalen und den guten Legalen ins Wanken: Eine Konzerntochter verdiente jahrelang am Geschäft manch dubioser Plattform mit.

Konkret geht es um eine Tochterfirma der Österreichischen Lotterien. Sie heißt Rabcat Computer Graphics GmbH und hat ihren Sitz im Nachbargebäude der Lotterien-Zentrale am Rennweg im dritten Wiener Gemeindebezirk.

Seit Jahren beliefert Rabcat die internationale Videospielindustrie: Man entwickelt Charaktere für die beliebten Schießspiele Fortnite und Valorant oder 3D-Grafiken für ein Micky-Maus-Spiel von Disney. Rabcat produziert aber auch Onlineglücksspiele in bis zu 32 Sprachen, großteils angelehnt an klassische einarmige Banditen, auch Slots genannt.

Die zufällige Anordnung verschiedener Symbole entscheidet dabei über Gewinn und Verlust. Je nach Spiel kommt es auf die richtige Kombination von Sternen (Star Fever), von Löwen (Lion Strike) oder von Blutmonden (Anna Van Helsing) an.

Zocken kann man diese Slots bei Win2day – Rabcats Spiele tauchen aber noch bei anderen Glücksspielunternehmen auf der ganzen Welt auf; mitunter auch bei jenen, die in Österreich illegale Casinos anbieten oder angeboten haben.

Bwin, William Hill, Bet365, Mr Green, Tipico, Pokerstars – sie alle führte Rabcat noch bis Anfang 2024 als »Operators« seiner Spiele auf der eigenen Website an. Alles Onlinecasinos, die illegales Glücksspiel in Österreich veranstaltet haben. Bei Mr Green sind beispielsweise heute noch Rabcat-Spiele gelistet.

»Unser Portfolio besteht aus Videosslots, Casinotischspielen und innovativen 3D Spielen«, heißt es auf der Rabcat-Website. Und weiter: »Ohne starke Partner könnten wir nicht so erfolgreich sein, wie wir es heute sind.« Die in Österreich illegalen Anbieter nannte man bis vor kurzem »die weltweit erfolgreichsten Betreiber von Online-Gaming«. Und genau diese Partner haben auch Spieler·innen in Österreich akzeptiert.

Erstmals wurde der oberösterreichische Verein Spielerhilfe Anfang 2024 auf Rabcat und dessen Verbindungen zu illegalen Anbietern aufmerksam. Man informierte das Finanzministerium (BMF), das für die Glücksspielaufsicht und die Konzessionsvergabe zuständig ist. Bei den Lotterien wurde man daraufhin scheinbar nervös. 

Innerhalb weniger Tage verschwinden die Logos von Bwin, William Hill und Co von der Website. Obwohl Rabcat-Spiele heute noch bei Onlinecasinos international gelistet sind, streitet man auf Anfrage von DOSSIER und ZiB 2 eine Zusammenarbeit ab. Sollten Rabcat-Spiele »von Dritten angeboten werden, handelt es sich um illegale Kopien beziehungsweise Plagiate, gegen die wir selbstverständlich rechtlich vorgehen«, schreibt ein Sprecher der Lotterien. 

Rabcat stelle damals wie heute »exklusiv« für die Lotterien »vollständige Spiele« her. Darüber hinaus produziere man »ausschließlich Grafikdesigns, die über ein Verwertungsunternehmen an andere Unternehmen lizenziert wurden. Es existierten daher nie Geschäftsbeziehungen zwischen Rabcat und den genannten in Österreich nicht konzessionierten Unternehmen, noch wurden ganze Spiele je an diese Unternehmen verkauft.« Das überrascht.

Üblicherweise verdienen Spielehersteller nämlich an den Einnahmen der Casinos mit – das ist in der Branche Standard.

Geld hat kein Mascherl

DOSSIER und ZiB 2 liegen interne Dokumente von Onlinecasino-Betreibern und Spielegroßhändlern vor. Die Beteiligung am Bruttospielertrag von Rabcat-Spielen – jene Einsätze der Spieler·innen, die nach Ausschüttung der Gewinne bei den Casinos bleiben – wird darin mit 11,5 bis 13,5 Prozent angegeben.

Selbst der Mitgründer und heutige Co-Geschäftsführer von Rabcat, Thomas Schleischitz, sprach 2019 in einem Interview mit dem Start-up-Magazin Brutkasten von browserbasierten Onlinevideoslots, die mittels sogenannter »Revenue-Share-Deals international vertrieben« werden. Und noch etwas fällt in der Recherche auf: Rabcat besitzt seit 2015 eine sogenannte »Remote Gambling Software«-Lizenz der britischen Glücksspielbehörde.

Damit darf das Unternehmen in Großbritannien Software für Glücksspiele »herstellen, bereitstellen, installieren oder anpassen«. Wie passt all das zusammen? 

Von den Lotterien heißt es, dass Rabcat »erst seit 2022 eine 100-prozentige Tochter« des Unternehmens sei und daher »erst seit diesem Zeitpunkt unter voller Kontrolle« stehe. Seitens des Managements sei dann aber »sofort dafür Sorge getragen worden, dass die bis dahin indirekten Geschäftsbeziehungen mit den genannten in Österreich nicht konzessionierten Unternehmen beendet wurden.« Aber auch diese Antwort wirft Fragen auf. 

Wenn es »nie« Geschäftsbeziehungen gab, warum musste man »indirekte« Geschäftsbeziehungen beenden? Und warum gibt man an, erst seit 2022 die »volle Kontrolle« gehabt zu haben? Aus dem österreichischen Firmenbuch geht etwas anderes hervor.

Demnach haben sich die Casinos Austria über eine Win2day-Tochterfirma im Jahr 2010 zunächst mit rund 80 Prozent an Rabcat beteiligt. 2017 stockte man die Geschäftsanteile auf 95 Prozent auf und übertrug sie 2019 an die Lotterien.

Laut den Rabcat-Gesellschaftsverträgen konnten sämtliche Entscheidungen von der »Aufnahme und Aufgabe von Geschäftszweigen« bis zur »Auflösung der Gesellschaft« mit einer Stimmenmehrheit von 94 Prozent getroffen werden – womit die Lotterien schon seit 2019 und nicht erst seit 2022 die »volle Kontrolle« über Rabcat gehabt haben müssen.

»Es gab vertraglich Rechte des damaligen Miteigentümers, die eine vollständige Kontrolle nicht ermöglicht haben«, schreibt ein Lotterien-Sprecher auf Nachfrage.

Wie die Republik profitiert

Als hundertprozentige Tochterfirma der Lotterien ist Rabcat übrigens teilstaatlich. Neben dem Haupteigentümer Allwyn der tschechischen Sazka-Gruppe gehören der Novomatic AG, dem ORF und der Republik Österreich indirekt Anteile an der Casino- und Videospielefirma. Das bringt die Republik in eine heikle Doppelrolle. 

Man profitiert von dem Angebot, ist aber gleichzeitig für die Kontrolle des Glücksspiels zuständig. Auf seiner Website hält das für Glücksspiellizenzen und Aufsicht zuständige Finanzministerium (BMF) fest: »Die Sicherstellung von hohen Spielerschutzstandards ist eine der zentralen Zielsetzungen des österreichischen Glücksspielgesetzes.« 

Direkte und indirekte Beteiligungen an Rabcat

Bereits im Jänner 2024 informierte, wie schon erwähnt, der Verein Spielerhilfe das BMF über die fragwürdigen Geschäfte von Lotterien und Rabcat. DOSSIER und ZiB 2 liegt ein zweites Schreiben an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) vor.

Darin will ein ehemaliger Spielsüchtiger wissen, wie es sein kann, »dass ein Unternehmen, welches teilstaatlich geführt wird, eine Monopolstellung genießt und als einziges Unternehmen in Österreich legal Online-Casino-Spiele anbieten darf, durch angebliche Umsatzbeteiligungen an ausländischen Onlinecasinos auch illegales Glücksspiel auf österreichischem Boden betreibt und fördert.« Der Spieler erhielt bis heute keine Antwort.

Auf Nachfragen von DOSSIER und ZiB 2 schreibt ein Sprecher des BMF: »Ein unerlaubtes Angebot von Rabcat im Inland konnte bisher nicht verifiziert werden.« Man würde aber jedem »unerlaubten Angebot zur Teilnahme vom Inland aus« nachgehen.

Demnächst werden sich die Casinos Austria und die Lotterien um Erneuerungen ihrer Konzessionen bemühen, die Ende 2027 auslaufen. Dafür wird man stolz auf den Spielerschutz in Österreich verweisen; auch wenn die Designs mancher Rabcat-Slots mitunter ein Feature haben, das bei Win2day ganz und gar nicht zum Fairplay passt: sogenannte Multispins.

Spieler·innen brauchen dabei nicht mehr selbst zu klicken, um die Walzen in Bewegung zu bringen. Das Geld wird automatisch eingesetzt und die Rollen laufen selbstständig, man braucht nur zuzusehen, ob man gewinnt oder verliert. Immer mehr Länder verbieten diesen Modus, weil er glücksspielbedingte Gefahren erhöhen kann.


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