Schuss vor den Bug

Der Waffenindustrielle Gaston Glock klagt eine Nationalrätin der SPÖ. Ein Dritter hatte Glock auf der Facebook-Seite der Politikerin beschimpft.

Von Georg Eckelsberger, Florian Skrabal und András Szigetvari

Glock2.11.2018 

„Ich finde es beeindruckend, dass sich Gaston Glock für eine kleine Nationalrätin wie mich so sehr interessiert“, sagt Irene Hochstetter-Lackner. „Und dass er es wert findet, mich dafür zu klagen, weil jemand anderes etwas postet, was ich ohnehin zeitnah gelöscht habe.“

Seit November 2017 ist Irene Hochstetter-Lackner Abgeordnete zum Nationalrat. Die gebürtige Kärntnerin sitzt für die SPÖ unter anderem im Landesverteidigungsausschuss und im Ausschuss für innere Angelegenheiten. 

Jüngst erreichte Hochstetter-Lackner eine Klage des Waffenindustriellen Gaston Glock, aufgesetzt von dessen Anwalt Peter Zöchbauer. Glock fühlt sich in seiner Ehre beleidigt, er wurde beschimpft.

Ein User hatte unter einem Facebook-Posting der Mandatarin Gaston Glock als „alten B.“ bezeichnet. Laut Klage habe die Medieninhaberin des Profils es verabsäumt, den Kommentar „unverzüglich“ zu löschen. Nun fordert Glock eine Veröffentlichung des Urteils sowie Unterlassung von der Politikerin.

Was war passiert?

Am Samstag, 22. September 2018, veröffentlichten DOSSIER und Der Standard Recherchen zu den Verflechtungen von Regierungsmitgliedern der FPÖ mit dem Ehepaar Kathrin und Gaston Glock.

Im Fokus der Recherche stand das Springreitturnier „Horses & Stars“, das die Glocks seit 2011 in Treffen, nahe Villach, veranstalten. Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Sozialministerin Beate Hartinger-Klein und Verkehrsminister Norbert Hofer (alle FPÖ) zählten 2018 zu den handverlesenen Gästen am Tisch der Gastgeber.

Über die eingeflogenen Hollywoodstars war in Zeitungen zu lesen, die Teilnahme der freiheitlichen Regierungsmitglieder war jedoch keine Meldung wert – bis zu den Berichten von DOSSIER und Standard. Brisanz bekommt deren Besuch, weil sich die türkis-blaue Bundesregierung in ihr Programm geschrieben hat, die Waffenexportkontrolle reformieren zu wollen.

Ein direkter Draht zur Regierung kann da aus Sicht eines Waffenproduzenten, der einen großen Teil des Geschäfts mit Exporten macht, nicht schaden. Alle Beteiligten bestreiten, bei den Veranstaltungen je über aktuelle Regierungsvorhaben gesprochen zu haben.

Irene Hochstetter-Lackner hat der Artikel gefallen, wie sie sagt. Sie teilt ihn eineinhalb Stunden nach dem Erscheinen über Facebook. Unter dem Posting beginnt eine Diskussion.

Ein User schreibt, dass Gaston Glock, „der alte B.“, Milliarden mit dem Waffengeschäft verdiene. Wenig später wiederholt er seine Beschimpfung und nennt einen anderen User in der Debatte außerdem einen „Dummkopf“.

Die Nationalrätin reagiert und mahnt: „Ganz ehrlich, ich finde Diskussion super...jeder hat eine andere Meinung...aber bitte beschimpft euch nicht auf ein Posting von mir...ihr seid doch Männer mit Niveau“.

Hochstetter-Lackner löscht die Kommentare aber nicht. „Ich habe das nicht genau verfolgt, es war Wochenende“, sagt sie heute. Sie sei mit den Kindern unterwegs gewesen. Jenen Kommentar, der nun Anlass für die Klage ist, habe sie aber „zeitnahest“ gelöscht. „Das war und ist nicht mein Sprachgebrauch. Ich verurteile Hass im Netz“, sagt sie.

Für Gaston Glock erfolgte die Löschung nicht schnell genug. „Von zumindest 22. September 2018, etwa 10:00 Uhr, bis 24. September“ – Samstag bis Montag – seien die Beiträge auf der Facebook-Seite abrufbar gewesen.

Außerdem komme hinzu, dass Hochstetter-Lackner auf einen Kommentar reagierte, daher von der Beschimpfung gewusst haben muss, so der Kläger. Trotzdem habe sie jenen Kommentar nicht „unverzüglich“ gelöscht. 

Kein Interesse am Urheber

Den Streitwert der Klage legte Gaston Glock mit 19.600 Euro fest. Anhand der Summe berechnen sich die Prozess- und Anwaltskosten, die Hochstetter-Lackner im Fall einer Niederlage vor Gericht tragen müsste.

„Je höher man den Streitwert ansetzt, desto mehr tut es dem Verlierer weh“, sagt Christian Puswald, der Anwalt der Politikerin. Puswald gibt sich für die Verhandlung am 3. Dezember im Landesgericht Klagenfurt optimistisch. Eines sei aber klar, so Puswald: Finanziell sitze Gaston Glock am längeren Ast.

Hochstetter-Lackner sei „Mitglied des österreichischen Nationalrates. Da kann man sich schon ein gewisses Niveau bei der Diskussion erwarten“, sagt Glocks Medienanwalt Peter Zöchbauer.

Für den Urheber des Kommentars scheinen sich Gaston Glock und sein Anwalt indes nicht zu interessieren. Auf Anfrage sagt Zöchbauer, er wisse nicht, wer das sei. Man habe auch keinen Versuch unternommen, das herauszufinden.

Im Visier

Die Klage richtet sich an Hochstetter-Lackner als Medieninhaberin der Facebook-Seite. Sie ist mit 3. Oktober datiert, neun Tage zuvor hatte sie den Kommentar entfernt. Die SPÖ-Abgeordnete vermutet, „politisch ins Visier“ geraten zu sein.

Hochstetter-Lackner kritisiert die Waffenpolitik der Regierung, insbesondere jene der FPÖ, offen: „Ich bin gegen eine Liberalisierung der Waffengesetze“, sagt sie und spricht sich gegen „amerikanische Verhältnisse“ aus. 

Vor rund drei Jahren könnte sie sich als Gemeinderätin der Stadt Villach zudem den Unmut von Kathrin und Gaston Glock zugezogen haben. Auslöser war eine neue Werbekampagne für das Springreitturnier der Glocks.

Ende 2015 hatte sich die Werbelinie für „Horses & Stars“ verändert. Seither ist auf den Sujets neben einem Pferd auch eine Pistole zu sehen. Der Österreichische Werberat wird die Werbelinie später mehrmals als „Gewalt verherrlichend“ und eine „Verharmlosung von Schusswaffen“ beanstanden.

Glock ließ die Plakate aufhängen, auch in der stadteigenen Zeitung sollten Inserate geschaltet werden. Die SPÖ-geführte Stadt winkte ab. Irene Hochstetter-Lackner setzte sich damals „stark“ gegen die Werbung ein. „Ich habe selbst zwei Kinder und bin für einen sorgfältigen Umgang mit Waffen“, sagt sie.

Gaston Glocks Anwalt verneint politische Motive: So ein „beleidigendes Posting“ müsse sich niemand gefallen lassen, es gehe mit der Klage darum, „Ausfälligkeiten zu unterbinden“, und nicht darum, jemand mundtot zu machen.