Im Privatjet zur Privataudienz

Parteigeschäft oder Privatvergnügen? Zum Geheimtreffen mit Gaston Glock flog Heinz-Christian Strache im Düsenjet ein. Das behauptet Straches Ex-Bodyguard gegenüber der Soko Tape. Zudem erzählte der Personenschützer, wie er für Strache Philharmoniker-Münzen im großen Stil einkaufte. Für die FPÖ oder privat? Die Befragung eines FP-nahen Notenbank-Direktors soll Licht ins Dunkel bringen.

Text: Ashwien Sankholkar; Illustration: S. R. Ayers

Glock18.9.2020 

Ein Ibiza-Video, zwei Strategien. Dass Gaston Glock als heimlicher FPÖ-Unterstützer genannt worden war, sorgte für Aufsehen. Ins Spiel gebracht wurde der 91-jährige Pistolenbaron von Heinz-Christian Strache. Der nannte ihn „als Beispiel“ für jene Vermögenden, die den Blauen „zwischen 500.000 Euro und eineinhalb bis zwei Millionen“ rüberschieben. Für Glocks Berater war die mediale Marschrichtung klar: raus aus dem Fadenkreuz der Opposition; kein Wort zur Presse; einfach Abtauchen.

Im Gegensatz zu Glocks Vogel-Strauß-Taktik ging Strache in die Offensive und peilt heuer sogar den Einzug in den Wiener Gemeinderat an. Beide PR-Pläne wirkten auf eigene Weise: Strache bekam – wenn auch unfreiwillig – viel Publicity, und über seine Nähe zur Waffenindustrie war wenig zu lesen.

In der Ibiza-Nachrichtenflut gingen die Glocks sang- und klanglos unter. Dabei dürfte die Beziehung zur FPÖ enger sein, als bisher öffentlich bekannt war. Das geht aus DOSSIER vorliegenden Polizeiprotokollen über die Aussagen des langjährigen Strache-Bodyguards hervor. Dessen Hinweise reichten den Ibiza-Ermittlern, um die blauen Bande zur Waffenlobby genauer zu prüfen. Dabei soll Notenbank-Direktor Eduard Schock Licht ins Dunkel bringen.

Die Ermittler der Soko Tape wollen ihn als Zeugen befragen, weil er früher das Spenden- und Spesenwesen der Strache-FPÖ gemanagt hat. Schock war Finanzreferent der Partei. Der Nationalbank (OeNB) ist Schocks Involvierung unangenehm. Beim Krimi rund um die Commerzialbank Mattersburg, der im Sommer publik wurde, ist die OeNB ins Trommelfeuer geraten. Als oberster Bankprüfer hat sie letztlich versagt. Nun wird ein Mitglied des vierköpfigen Nationalbankdirektoriums – wenn auch nur am Rande und als Zeuge – ins Ibiza-Verfahren hineingezogen.

Warten im Wachhaus

Über ihren früheren Anwalt Peter Zöchbauer ließen die Glocks jede Form der politischen Einflussnahme auf die Arbeit der Freiheitlichen zurückweisen. Auch Zahlungen an FP-nahe Vereine oder eine persönliche Nähe zu Strache wurden abgestritten. Straches langjähriger Bodyguard hat da eine andere Wahrnehmung, wie aus einem Polizeiprotokoll vom 27. Mai 2020 hervorgeht: „Befragt zu Flügen mit Privatjets von Heinz-Christian Strache gebe ich Folgendes an: Glaublich im Jahr 2015, jedenfalls vor meiner Krankheit im Jahr 2016, flogen H.-C. Strache und ich mit einem Privatjet von Wien nach Klagenfurt.“ Strache war damals Bundesparteivorsitzender und Klubobmann im Nationalrat. „Der Jet gehörte Herrn Gaston Glock. Wir flogen zu einem Privattermin zu Glock in sein Privathaus am Wörthersee. H.-C. Strache traf sich dort allein mit Glock.“

Das Tête-à-Tête fand nicht am Rande eines FPÖ-Events statt, sondern war eine Privataudienz beim Milliardär, der schon lange bettlägrig ist. Strache war extra eingeflogen worden, behauptet der Bodyguard. „Aufgrund der sicherheitsgefährdenden bzw. gesundheitlichen Situation war ein Treffen nur vor Ort bei der Familie Glock möglich“, sagt Strache gegenüber DOSSIER. „Als Gaston Glock mich um ein persönliches Gespräch ersucht hat, wurde auch der Transport organisiert. Dies war vor meiner Zeit als Vizekanzler.“

Auf Ibiza plauderte Strache bekanntlich mit der vermeintlichen Oligarchennichte über kreative Vereinskonstruktionen zur Parteienfinanzierung sowie mögliche Einflussnahmen auf Regierungsarbeit, Privatisierungen und Staatsaufträge. Darüber könnte Strache auch mit Glock gesprochen haben, mutmaßen die Ermittler und fragten beim Bodyguard nach.

„Was dort besprochen wurde, weiß ich nicht, weil ich während der Besprechung im Wachhaus wartete“, so die Erinnerung an den Glock-Trip 2015: „Auf Nachfrage gebe ich an, dass nie von Spenden von Glock an Strache oder die FPÖ mir gegenüber gesprochen wurde. Danach flogen wir mit derselben Maschine wieder nach Wien zurück.“ Die Stippvisite wurde nicht an die große Glocke gehängt. „Befragt, wer diesen Flug bezahlt hat, gebe ich an, dass es meinem Wissen nach keine Verrechnung gab.“

Das Jetsetleben der Familie sorgte bereits im Juni für Aufsehen. Damals wurden Fotos öffentlich, auf denen Strache und seine Frau Philippa im Privatjet posieren. Aus einem in der Krone veröffentlichten Polizeibericht geht hervor, dass „Strache öfters mit Privatjets gereist“ sei. Ermittelt wurden dabei Straches beliebteste Reiseziele: Ibiza, Korfu, Mailand, St. Gallen, Salzburg und Klagenfurt. Dass Herbert Kickl im Jahr 2016 zumindest einmal die Bodenhaftung verlor, zeigt ein Handyfoto von 2016. Der Ex-Innenminister und amtierende FPÖ-Klubobmann war damals die Nummer zwei der FPÖ. „Dieser Flug ergab sich dadurch, dass Strache einen Termin bei der Firma Glock in Kärnten hatte“, sagt Kickl und stellt gegenüber DOSSIER fest, dass er „nie zu Herrn und Frau Glock geflogen“ sei. Kickl: „Zu möglichen Reiseaktivitäten anderer FPÖ-Politiker habe ich keine Wahrnehmung.“

Blaue Sternstunden für die Glocks

Im Jahr 2018 intensivierten sich die Trips zu den Glocks, wie DOSSIER ausführlich berichtete. Die blaue Hautevolee besuchte etwa das prominente Reitturnier „Horses & Stars“, wo Gaston und Kathrin Glock „die besten Reiter der Welt“ um die Wette springen lassen –Preisgelder: 596.000 Euro. Eingeflogen werden Hollywoodstars, Supermodels und jede Menge A- und B-Promis, wie etwa Chuck Norris, Wesley Snipes, Naomi Campbell, Kate Moss oder Dieter Bohlen. Eintrittskarten kosteten bis zu 700 Euro, und Super-VIPs wurden von Starkoch Alfons Schuhbeck bekocht, erhielten Zugang zur exquisiten „Rider’s Lounge“, wo rauchiger Whiskey und handgerollte Zigarren bereitstanden.

Im Jahr 2018 trabten aber auch prominente FP-Regierungsvertreter nach Kärnten: Im Februar drehte Verkehrsminister Norbert Hofer eine Pirouette, und Anfang Juni kamen Vizekanzler Strache samt Ehefrau Philippa sowie Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein im Galopp aus Wien geeilt, um mit den Glocks zu feiern. „Es handelte sich um eine rein private Einladung, die im Wege eines Telefonates erfolgte. Sämtliche Kosten wurden privat gedeckt“, antwortete Strache am 4. Februar 2019 – damals noch als Vizekanzler – auf eine parlamentarische Anfrage betreffend den Reitturnierbesuch am Ossiacher See, die von der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper eingebracht worden war: „Ich war im Zeitraum 9./10. Juni 2018 (einschließlich Abendveranstaltung) mit meiner Ehefrau anwesend. Da ich von einer anderen Veranstaltung direkt anreiste, wurde ich von meinem persönlichen Referenten begleitet.“ Politisiert wurde nicht. „Da es sich um eine private Einladung der Familie Glock handelte, war auch der Inhalt der Gespräche ausschließlich privater Natur.“

„Es bestand stets ein gutes und korrektes Verhältnis zwischen mir und dem Ehepaar Glock“, sagt Strache. „Eine Zuwendung seitens der Familie Glock gab es nie.“ Auch Hofer und Hartinger-Klein haben stets betont, keinen Cent von den Glocks erhalten zu haben. Die Aussagen des Bodyguards in Bezug auf Strache werfen nun neue Zweifel auf.

Zumal die FPÖ-Presseabteilung ein im Herbst 2018 ausgesprochenes Zusage gegenüber DOSSIER bis dato nicht eingelöst hat: die versprochene Vorlage von Belegen für die Kostenübernahme durch Strache und Co. Wer bezahlte die „Horses & Stars“-Rechnungen? Vielleicht haben die Glocks alles bezahlt? Sollten Regierungsmitglieder gefügig gemacht werden? Immerhin käme den Glocks eine Liberalisierung des Waffenrechts und eine Lockerung der Waffenexportkontrolle gelegen. Beides stand auf der Regierungsagenda. Mit den Freiheitlichen hätten die Glocks starke Fürsprecher in der Regierung gehabt.

Eine DOSSIER-Anfrage an Glock-Pressesprecherin Claudia Wohlfahrt betreffend die Jetflüge von Heinz-Christian Strache und anderen FPÖ-Politikern sowie Einladungen zu „Horses & Stars“ blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Straches Goldreserven

Zwar hat Strache seine Ibiza-Aussagen, dass Geld von den Glocks an die Freiheitlichen geflossen sei, öffentlich widerrufen. Doch eine Aussage des Bodyguards ließ die Ermittler aufhorchen. „Auf Nachfrage betreffend Goldankäufe in größerem Stil durch H.-C. Strache gebe ich an, dass er vor 2016 im Zuge der Finanzkrise verstärkt Philharmoniker-Münzen in Höhe von insgesamt 40.000 bis 50.000 Euro gekauft hat. Ich habe diese für ihn einerseits bei Banken, andererseits bei Münzhändlern besorgt. Strache hat mir das Geld für den Ankauf immer in bar übergeben.“ In Passagen des Ibiza-Videos, die der Kurier im August 2020 veröffentlichte, prahlte Strache mit seinem Goldhändchen, dass er „80 Prozent seiner Ersparnisse“ in Gold angelegt und erfolgreich spekuliert habe.

Bemerkenswert ist Straches Kunststück, bei seinem luxuriösen Lebensstil auch noch Geld auf die Seite legen zu können. Woher er so viel Geld hatte und wieso er einen Mittelsmann zum Goldkaufen losschickte? „Ich habe privates Vermögen in Gold und Bargeld angelegt“, sagt Strache. Und das Parteigold? „Die Goldreserven wurden von der FPÖ auf meinen Vorschlag als nachhaltige und gewinnbringende Anlage erworben, und diese finden sich auch in den Bilanzen der Partei wieder.“

Strache als Edelmetalltrader der Partei? Aus Ermittlersicht könnte Eduard Schock zur Aufklärung beitragen. Der Ex-Säckelwart und Strache-Freund ist bestens informiert. Auf einem Ticket der Freiheitlichen sitzt der 61-jährige Schock seit Juli 2019 im Direktorium der Nationalbank, die auch für die Verwaltung der staatlichen Goldreserven zuständig ist. Den renommierten Posten hat er Strache zu verdanken, der sich persönlich für ihn starkgemacht hatte.

Bevor er Zentralbanker wurde, überblickte Schock die Parteifinanzen und damit auch die Großspender. Als Finanzreferent war er in heikle Geldgeschäfte eingebunden. Das bestätigt auch Straches Bodyguard laut Protokoll: „Ich schätze, bis 2015 gab es wiederholt Sitzungen in der Steuerberatungskanzlei Stark im 2. Bezirk, Taborstraße, wo sich die Spitzen der Landespartei Wien getroffen haben. Ich gehe davon aus, dass dabei Parteifinanzen besprochen wurden.“ Schon damals besaß die FPÖ einen wahren Goldschatz, den sie in einem Safe in St. Jakob im Defereggental in Osttirol bunkerte.

Bei den diskreten Taborstraße-Meetings waren Strache und Schock dabei, erzählt der Bodyguard. Straches ominöse Spesenabrechnung, mutmaßliche Glock-Spenden oder die auffälligen FPÖ-Goldgeschäfte will OeNB-Direktor Schock gegenüber DOSSIER nicht kommentieren: „Mit der Übernahme meiner Funktion in der OeNB habe ich alle politischen Funktionen zurückgelegt. Einem Selbstverständnis und einer Gepflogenheit der OeNB folgend, nehme ich ab diesem Zeitpunkt zu aktuellen oder vergangenen (partei-)politischen Vorkommnissen öffentlich nicht Stellung. Dies umfasst selbstverständlich auch, keine Kommentare gegenüber Medien abzugeben.“

Wenn die Ibiza-Staatsanwälte ihn befragen, muss Schock unter Wahrheitspflicht aussagen – auch über Straches Glock-Connection. Abtauchen geht dann nicht mehr.