Text: Ramona Arzberger, Georg Eckelsberger, Eja Kapeller; Illustration: Amy Lauren
»Ich habe eineinhalb Jahre dafür gekämpft, dass man mir glaubt. Das hat mich kränker gemacht, als ich war«, erzählte uns Maarte Preller. Vor fast zwei Jahren berichtete DOSSIER erstmals über ME/CFS und Post Covid – und den Kampf der Betroffenen um Anerkennung. Weil Erkrankte wie Preller mitunter nicht mehr arbeiten gehen können, müssen sie bei der Pensionsversicherungsanstalt um Unterstützung ansuchen. Doch Hilfe ist keineswegs garantiert: Wenn Gutachter·innen die Krankheit nicht ernst nehmen, führt der Weg oft nur über das Gericht – eine zusätzliche Belastung für ME/CFS- und Post-Covid-Betroffene.
ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom, und es handelt sich um eine schwere Multisystemerkrankung, die durch Infektionen mit Bakterien oder Viren ausgelöst werden kann – auch durch das Coronavirus. Die Ursache ist ungeklärt, es gibt keine heilenden Therapien, man kann lediglich Symptome behandeln.
Auch Nina Hofer (Name geändert) leidet an ME/CFS. Im Sommer 2023 tritt sie einen vierwöchigen Reha-Aufenthalt an – gegen ihren Willen und auf Kosten ihrer Gesundheit. Denn bei ME/CFS und Post Covid ist eine medizinische Reha oft nicht ratsam. Im Gegenteil: Sie kann schaden. Im Rahmen von Aktivierungstherapien werden Erkrankte etwa zu körperlicher Aktivität motiviert – und gerade das kann bei ME/CFS bis zum Zusammenbruch führen. Der Grund dafür ist das Hauptsymptom der Erkrankung: die sogenannte Post-Exertional Malaise. Konkret bedeutet das, dass sich die Symptome nach Anstrengungen weiter verschlimmern.
Gegenüber DOSSIER beschreiben mehrere Patient·innen, dass eine Reha ihren Gesundheitszustand massiv verschlechtert habe. Einige sagen, sie hätten sich bis heute nicht davon erholt. Trotzdem werden Betroffene mit ME/CFS und Post Covid von Kranken- und Pensionsversicherungsträgern mitunter zu einer Reha gedrängt – bei Weigerung können ihnen Sozialversicherungsleistungen gestrichen werden.
ME/CFS und Post Covid sind für viele Mediziner·innen Neuland. Umso wichtiger sind Fortbildungen. Doch dort werden mitunter Inhalte vermittelt, die Patient·innen schaden können. DOSSIER hat zwei ärztliche Fortbildungen zu Post Covid und ME/CFS besucht: Die Vortragenden vermittelten dort Inhalte, die in Fachkreisen heftig kritisiert werden – etwa dass ein Großteil der Betroffenen simuliere oder die Erkrankung psychosomatisch sei. Für Erkrankte kann das schwerwiegende Folgen haben: die Nichtgewährung von Sozialleistungen und sogar Fehlbehandlungen. Bei beiden Veranstaltungen handelte es sich um von der Ärztekammer approbierte Fortbildungen renommierter Organisationen. Als Folge der DOSSIER-Recherche will die Kammer Überprüfungen einleiten.
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