Der Chirurg als Jongleur

Wiederholt und über Jahre operierte ein Starchirurg der Tirol-Kliniken mehrere ­­Patient·innen parallel – und verstieß damit gegen krankenhausinterne Regeln. ­Obwohl die Spitalsleitung, die Tiroler Patient·innenvertretung und die Staats­anwaltschaft ­Wind davon bekamen, blieb das Vorgehen ohne Konsequenzen.

Text: Florian Skrabal; Illustration: Ūla Šveikauskaitė

Gesundheit25.3.2022 

Am 19. Juni 2017 herrscht an der Klinik für Neurochirurgie des Landeskrankenhauses Innsbruck business as usual. Im OP-Saal 115 steht zwischen 7.30 und 10.15 Uhr die Entfernung eines Gehirntumors auf dem Plan. Nebenan im Saal 116 wird zur selben Zeit ein anderer Schädel geöffnet, noch ein Hirntumor. Und im OP-Saal 117 läuft ab 7.30 Uhr eine für sechs Stunden anberaumte Operation an der Wirbelsäule.

Ein gewöhnlicher neurochirurgischer Morgen. Sieht man sich die Operationspläne aber genauer an, fällt etwas Seltsames auf.

Bei den drei Eingriffen, die an diesem Tag zeitgleich in drei verschiedenen Operationssälen beginnen, ist stets ein und derselbe Arzt als erster Operateur eingetragen: Claudius Thomé, Universitätsprofessor, Klinikchef der Innsbrucker Neurochirurgie und alles andere als ein gewöhnlicher Arzt – nicht nur, weil er an so sensiblen Körperstellen wie dem Gehirn oder der Wirbelsäule operiert, wo mehr noch als in anderen medizinischen Fächern Millimeter über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

Als einst feststand, dass der gebürtige Deutsche die Leitung der Neurochirurgie am Innsbrucker Spital, das zugleich Landeskrankenhaus und Universitätsklinik ist, übernehmen würde, verkündete das Haus im Jahr 2009, einen »der Stars in der Neurochirurgie« gewonnen zu haben. Bald wird Thomé seinem Ruf gerecht, wie man in Zeitungen nachlesen oder auf Ö3 bei Claudia Stöckls Frühstück bei mir hören kann.

2011 operiert er den ÖSV-Skirennläufer Johann »Hans« ­Grugger nach dessen schwerem Sturz beim Training für das Hahnenkammrennen. Ein Jahr später ist Thomé im Ärzt·innenteam, das um das Leben des niederländischen Prinzen Friso kämpft. Dieser war beim Skifahren in Lech am Arlberg von einer Lawine verschüttet worden. Obwohl ihn die Innsbrucker Ärzt·innen stabilisieren können, verstirbt der Prinz im darauffolgenden Jahr an den Folgen des Unglücks. 2014 legt sich Wolfgang Ambros wegen Rückenbeschwerden bei ­Thomé unters Messer.

Keine Frage, Claudius Thomé muss ein richtig guter Chirurg sein. Und doch werfen die Operationspläne, in die DOSSIER Einblick nehmen konnte, noch ein anderes Licht auf den Starchirurgen und dessen Arbeitgeber, die Tirol-Kliniken.

Exklusiv für Mitglieder

Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!

Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.

Mehr erfahren

Mitglied werdenund alle Artikel lesen