Infografik

Europa und das Gras

Europa und das Gras: Wie andere EU-Staaten mit Cannabis umgehen.

Cannabis4.10.2017 

Cannabis ist mit Abstand die am häufigsten konsumierte, illegale Droge in der Europäischen Union, diesbezügliche Gesetze sind aber von Land zu Land verschieden: Als Medizin ist Cannabis derzeit in fünf Mitgliedsländern erlaubt. Der Joint zur Entspannung ist in der gesamten EU verboten, wie die Länder mit Verstößen umgehen, unterscheidet sich aber deutlich – ebenso die Einstellung der Bevölkerung zur Legalisierung.

Wo es die meisten Cannabiskonsumenten gibt

87,7 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger haben laut Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle Drogen und Drogensucht (EMCDDA) mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. Die meisten Cannabiskonsumenten gibt es in Frankreich: Dort rauchen elf Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal im Jahr einen Joint. Und auch Frankreichs Jugendliche liegen beim Cannabiskonsum im Spitzenfeld: 27 Prozent aller 15- und 16-jährigen Schülerinnen und Schüler gaben bei einer europaweiten Befragung an, in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal gekifft zu haben. Gleich viele waren es mit ebenfalls 27 Prozent in Tschechien, gefolgt von Bulgarien mit 23 Prozent.

Wo Hanf zu Haft führen kann

Sämtliche Suchtmittelgesetze der EU-Mitgliedstaaten haben denselben Ursprung: eine UN-Konvention aus dem Jahr 1961, die Single Convention on Narcotic Drugs. Das Abkommen beinhaltet eine vierstufige Klassifizierung von Drogen anhand ihres Suchtpotenzials und ihrer Schädlichkeit. Cannabis wurde von der Uno gleich doppelt gelistet: Einmal als Droge der Kategorie I, einmal in der höchsten Kategorie, der Kategorie IV, gemeinsam mit Heroin. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, den Gebrauch der darin gelisteten Drogen, so auch Cannabis, auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Wer Cannabis zu anderen Zwecken besitzt, anbaut oder damit handelt, muss bestraft werden – wie, das obliegt den Ländern selbst.

In der EU einigte man sich 2004 auf Mindeststrafen für den gewerblichen Anbau und Handel von Drogen. Wie die Länder Konsum und Besitz zum Eigengebrauch bestrafen, ist jedoch EU-weit unterschiedlich. In 17 Staaten darf Cannabis geraucht werden, der Konsum an sich ist nicht verboten. Das gilt jedoch meist – wie auch in Österreich – nur theoretisch, denn der Besitz von Cannabis ist in der gesamten EU verboten. Wertet die Polizei den Joint in der Hand als Drogenbesitz, kann gestraft werden. Definitionen, Grenzmengen und Strafen unterscheiden sich aber.

Gras auf Rezept

Die UN-Konvention verbietet den medizinischen Gebrauch von Cannabis nicht. In natürlicher Form ist Cannabis als Medizin aber nur in fünf Ländern der EU legal erhältlich. Zuletzt verabschiedete der Deutsche Bundestag im Jänner 2017 ein Gesetz, das es Patientinnen und Patienten ermöglicht Cannabisblüten in der Apotheke zu kaufen. In den Niederlanden, in Tschechien, Italien und Kroatien gab es zu diesem Zeitpunkt bereits rechtliche Regelungen für den Vertrieb und Konsum von medizinischem Cannabis .

Weiter verbreitet sind Cannabis-Präparate, die auf zwei zentralen Inhaltsstoffen der Hanfpflanze basieren: Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Das psychoaktive THC, synthetisch hergestellt oder aus der Pflanze extrahiert, ist der Hauptwirkstoff von Dronabinol-Präparaten. Sie sind in Österreich verschreibungspflichtig. Cannabidiol hingegen wirkt nicht psychoaktiv und ist als Öl oder kristalline Substanz auch ohne Rezept erhältlich. Derzeit gibt es nur ein Medikament, das sowohl THC als auch CBD enthält. Ein aus Cannabisextrakt gewonnener Mundspray, kann in Österreich wie Dronabinol auf Rezept gekauft werden. Cannabis-Mediziner und -Patienten kritisieren jedoch die hohen Kosten und die angeblich geringere Wirkung sämtlicher Präparate: Sie fordern die Legalisierung und kontrollierte Abgabe von natürlichem Cannabis zu medizinischen Zwecken auch in Österreich.

Wie junge Menschen zu Cannabis stehen

In den vergangenen Jahren hat die Zustimmung für die Legalisierung von Cannabis in der EU vor allem unter den jungen Menschen zugenommen. EU-weit spricht sich laut aktuellsten Zahlen aber eine knappe Mehrheit von 53 Prozent der 15- bis 24-Jährigen für ein Verbot von Cannabis aus, 2011 waren es noch 59 Prozent. Die meisten Legalisierungsbefürworter gibt es mit 72 Prozent in Tschechien.

Wo die Gesetze gelockert wurden

Der Trend geht EU-weit in Richtung Liberalisierung. Ein Großteil der EU-Staaten hat die Strafen für konsumbezogene Cannabisdelikte in den vergangenen 20 Jahren reduziert – meist im Rahmen einer grundlegenden Neuausrichtung ihrer Drogenpolitik. 2001 entkriminalisierte Portugal den Besitz von Drogen zum Eigengebrauch, es folgten Slowenien und Tschechien. Zuletzt stuften Kroatien und Malta den Besitz aller Drogen zum Eigenverbrauch zu einem Verwaltungsdelikt herab. In Luxemburg wurde nur der Besitz von Cannabis entkriminalisiert, in Belgien schreibt eine Leitlinie („policy note“) seit 2003 in diesen Fällen eine Geldstrafe anstelle von Haft vor.

Seit der Freigabe von Cannabis in Uruguay 2013 diskutieren Politiker auch in Europa vermehrt eine völlige Legalisierung. In acht EU-Ländern haben Abgeordnete seither Gesetzesentwürfe zur Legalisierung eingebracht – bislang erfolglos. Lediglich in den Niederlanden nahmen Befürworter die erste Hürde. Im Februar 2017 hat sich das Unterhaus des niederländischen Parlaments mit knapper Mehrheit für die Legalisierung des gewerblichen Anbaus von Cannabis ausgesprochen. Passiert der Gesetzesentwurf auch das Oberhaus, wären die Niederlande der erste EU-Staat, der Cannabis de facto legalisiert.