In zwei Welten

Menschen mit und ohne Behinderungen treffen in Österreich selten aufeinander. Das ist kein Zufall, sondern ein System.

Text: Lisa Kreutzer (andererseits)

Ausgleichstaxe28.11.2023 

Diese Recherche ist in Zusammenarbeit mit der inklusiven Redaktion »andererseits« entstanden

Vielleicht ist es ja einfach so. Vielleicht ist es die Natur des Menschen: Er liebt es, im angenehmen Bereich des Bekannten zu bleiben. Vielleicht umgeben sich Menschen am liebsten mit Menschen, deren Leben so nah wie möglich am eigenen ist. Weil sie sich dann nicht damit auseinandersetzen müssen, dass wir alle Menschen sind und in unserer Gesellschaft doch so unterschiedliche Chancen haben. Vielleicht ist das ein Teil der Antwort auf die Frage, warum es in Österreich zwar rund 1,4 Millionen Menschen mit Behinderungen gibt, aber Menschen ohne Behinderungen in ihrem Alltag fast nie mit ihnen in Kontakt kommen.

Wenn Sie oder Ihre Familien-Mitglieder keine Behinderungen haben, geht es Ihnen vielleicht wie mir. Lange habe ich geglaubt: Das ist alles ein großer Zufall. Dass ich zu keinem meiner Geburtstage eine·n Freund·in mit Behinderungen eingeladen habe. Dass ­Menschen mit Behinderungen in keiner Klasse mit mir waren, in keinem Verein. Dass ich niemanden kannte, den ich überhaupt hätte einladen können.

Doch seit ich bei andererseits inklusiv arbeite, habe ich gelernt: Das ist kein Zufall, es ist ein System. Ein System, das Menschen mit und Menschen ohne Behinderungen voneinander trennt.

Diese Trennung beginnt früh. Schon der Start in die Bildungs-­Laufbahn verläuft für viele Familien mit Kindern mit Behinderungen mehr als holprig. Es fehlt an entsprechend ausgestatteten Kinder­garten-Plätzen. Momentan warten allein in Wien rund 850 Kinder mit Behinderungen auf einen solchen Platz – manche jahrelang, weil es keinen Rechtsanspruch darauf gibt.

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