Das Spendenproblem

Große Unternehmen nutzen die Aktion Licht ins Dunkel als Bühne. Sie möchten mit ihren Spenden zeigen, wie wichtig ihnen Menschen mit Behinderungen sind. Gleichzeitig erfüllen sie ihre Beschäftigungs-Pflicht nicht.

Text: Emilia Garbsch (andererseits)

Ausgleichstaxe28.11.2023 

Diese Recherche ist in Zusammenarbeit mit der inklusiven Redaktion »andererseits« entstanden

Die Spenden-Gala von Licht ins Dunkel gehört zur Vorweihnachtszeit dazu wie die Vanille-Kipferln. Sie ist live im ORF zu sehen. Prominente und Politiker·innen treten auf und nehmen am Telefon Spenden entgegen. Auch Firmen bekommen eine Bühne. Die Führungskräfte der Firmen erzählen in der Hauptsendezeit von ihren großzügigen Spenden.

Um möglichst viel Geld zu sammeln, wird auf die Tränendrüse gedrückt. Zum Beispiel im Jahr 2021: Während DJ Ötzi sein Lied Der Moment singt, fährt ein kleiner Bub auf einem Roller um ihn herum. Der Bub hat eine Beinprothese. Die Kamera filmt die gerührten Blicke von Prominenten und Politiker·innen im Publikum. Betroffene werden in den Sendungen für Licht ins Dunkel immer wieder als hilfsbedürftig dargestellt. Als bräuchten sie Mitleid.

Die Darstellung bedient viele Vorurteile. Aber sie bringt Geld. Vergangenes Jahr sammelte die Aktion so über 22,3 Millionen Euro von Bürger·innen und Unternehmen. Die Spenden gehen unter anderem an Wohnheime oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Oder an Eltern, die einen teuren Rollstuhl für ihr Kind brauchen. Oft werden damit Grund-Bedürfnisse gedeckt.

Menschen mit Behinderungen und Inklusions-Expert·innen kritisieren das seit Jahren. »Ich wäre dafür, dass unsere Rechte so eingehalten werden, dass Licht ins Dunkel nicht gebraucht wird«, sagt Roswitha Schachinger. Sie ist Vize-Präsidentin des Behinderten-Rats und findet: Die Rechte von Menschen mit Behinderungen dürfen nicht von Spenden abhängen. Es braucht Gesetze.

Bei Licht ins Dunkel wird das nicht thematisiert. Im Gegenteil. Politiker·innen können sich auf der Bühne als besonders wohltätig darstellen. Sie könnten stattdessen auch für gleiche Rechte für Menschen mit Behinderungen sorgen. Tun sie aber nicht.

Kritische Fragen dazu müssen sie sich bei Licht ins Dunkel nicht anhören, nur Lob. So ist es auch bei den Unternehmen, die an Licht ins Dunkel spenden – aber ihre Beschäftigungs-Pflicht nicht erfüllen, also zu wenige Menschen mit Behinderungen anstellen.

Das beweisen jetzt auch erstmals Daten, die uns vorliegen: Viele Firmen, die an Licht ins Dunkel spenden, haben zu wenige begünstigte behinderte Menschen angestellt. Für jede nicht besetzte Pflichtstelle müssen sie eine Ausgleichstaxe zahlen. Sie zahlen dieses Geld, anstatt mehr Menschen mit Behinderungen anzustellen.

In der Grafik legen wir offen, welche zehn Firmen 2020 am meisten an Licht ins Dunkel gespendet haben – und gleichzeitig ihre Beschäftigungs-Pflicht nicht erfüllt haben. Zum Beispiel Spar: Die Supermarkt-Kette hat 2020 mehr als 340 Tausend Euro an Licht ins Dunkel gespendet. Gleichzeitig hat sie im selben Jahr ihre Beschäftigungs-Pflicht nicht einmal zur Hälfte erfüllt.

Allein im September 2020 musste Spar für 519 unbesetzte Pflichtstellen mehr als 200 Tausend Euro zahlen. Die Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich hat rund 290 Tausend Euro gespendet. Gleichzeitig hatte sie mehr als jede dritte Pflichtstelle nicht besetzt. Die nicht besetzten Stellen sind ein Grund dafür, dass Menschen mit Behinderungen überhaupt erst Spenden brauchen. 

Die Doku »Das Spendenproblem«, in der die Redaktion von -»andererseits« die Schattenseiten von Licht ins Dunkel beleuchtet, können Sie hier sehen.