Salzburg: Kaum Kontrollen

Spitzenplätze und grobe Mängel: In Salzburg fehlten bislang die Alternativen zu Problemquartieren.

Asyl14.11.2013 

Im Jahr 2009 fanden die Kontrollen nicht mehr vierteljährlich, und ab 2010 kaum mehr statt.

Bericht des Bundesrechnungshofs, 03/2013

In Salzburg zeigt sich, wie unterschiedlich die Qualität in der Grundversorgung sein kann: Zwar rangiert kein Salzburger Asylquartier in der Gesamtrecherche unter den zehn schlechtesten Unterkünften, dennoch sind Missstände bei rund der Hälfte der Quartiere zu finden. Die andere Hälfte schneidet überdurchschnittlich gut ab. Vier Salzburger Asylquartiere schafften es in der Gesamtwertung unter die besten zehn. Derzeit sind 1.131 Asylsuchende in diesem Bundesland untergebracht. Somit erfüllt Salzburg die Soll-Quote lediglich zu 86 Prozent. Zwei Drittel der Asylwerberinnen und Asylwerber wohnen in organisierten und 34 Prozent in individuellen Unterkünften.

Die besten 5

 QuartierOrtBew.
1.5760 Saalfelden33,5
2.5760 Saalfelden33
3.5662 Gries im Pinzgau31,5
3.5020 Salzburg31,5
5.5730 Mittersill30

Die beiden besten Salzburger Quartiere betreibt Christine Enzinger. Seit August 2004 beherbergt die ausgebildete Sozialpädagogin Asylsuchende in Saalfelden am Steinernen Meer, einer rund 16.000 Einwohner zählenden Kleinstadt im Pinzgau. Die Zimmer in ihren Unterkünften (SB5 und SB6) für momentan 35 Personen sind sauber und gut ausgestattet. Als Aufenthaltsräume stehen den Asylsuchenden ein Garten und ein großräumiges Wohnzimmer zur Verfügung. Im Keller hat Enzinger einen Fitnessraum eingerichtet. „Hilfe auf gleicher Augenhöhe bieten“, das will Enzinger mit ihrer Arbeit bewirken. Sie geht auf die Bewohner der Unterkunft zu, versucht, Konflikte sofort zu lösen und unterstützt die Asylsuchenden bei deren Asylverfahren. Auch in Enzingers Quartieren dokumentierte DOSSIER Mängel. Wie sie mit der Kritik umging, sehen Sie im Interview.

Die schlechtesten 5

 QuartierOrtBew.
1.5582 St. Michael14
2.5020 Salzburg15,5
3.5600 St. Johann16,5
4.5202 Neumarkt17
5.5020 Salzburg18

Den letzten Platz der Salzburger Wertung nimmt die Unterkunft SB 14 in St. Michael im Lungau ein. Hier schlafen Asylsuchende freiwillig auf ausgebreiteten Decken auf dem Boden, weil ihre Betten beschädigt oder stark verschmutzt sind. In der Gemeinschaftsdusche ist Schimmel an der Decke zu sehen. Trotz mehrfacher Versuche konnte das Betreiberpaar bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreicht werden. DOSSIER fand in Salzburg Licht und Schatten, trotzdem bleibt festzuhalten: Die Unterbringungsstandards sind hier zumindest im Schnitt höher als in Niederösterreich oder im Burgenland.

Auf sorgfältige Kontrollen des Landes lässt sich das nicht zurückführen. „Im Jahr 2009 fanden die Kontrollen nicht mehr vierteljährlich, und ab 2010 kaum mehr statt“, kritisierte der Bundesrechnungshof die Salzburger Grundversorgungsstelle im Frühjahr 2013. Franz Erwin Eiersebner, Leiter der Grundversorgung im Amt der Salzburger Landesregierung, erklärt die Untätigkeit seiner Abteilung mit Personalkürzungen. Im Jahr 2009 seien eineinhalb Planstellen weggefallen, sagt er. „Deswegen konnte die Qualität der Kontrolle nicht mehr in der Intensität umgesetzt werden, wie es früher möglich war.“ Die Wohnbedingungen in Salzburger Asylquartieren waren lange vom guten Willen der jeweiligen Betreibenden abhängig. Denn Betreuerinnen und Betreuer der Caritas besuchen die Asylwerbenden zwar regelmäßig in ihren Quartieren, betreten aber üblicherweise nicht deren Zimmer. „Wir legen Wert darauf, Beratungsgespräche in geschützten Räumlichkeiten durchzuführen“, sagt Gerlinde Hörl, Leiterin der Grundversorgungsstelle der Caritas der Erzdiözese Salzburg.

Neue Landesrätin, neuer Schwung

Landesrätin Martina Berthold (Grüne) ist seit Juni 2013 im Amt und unter anderem für die Abteilung „Migration und Grundversorgung“ und somit für die Lebensbedingungen der Asylsuchenden im Land verantwortlich. Sie schrieb kürzlich einen zusätzlichen Posten in der Grundversorgungsstelle aus – und übernahm die Kontrollen vorerst selbst. In etwa zur selben Zeit wie DOSSIER besuchte Berthold angekündigt fünf Salzburger Quartiere und fand ähnliche Mängel vor. „Bei meinem Besuch war die Einstellung eines Quartierbetreibers eine der negativsten Überraschungen“, sagt Berthold im Interview mit DOSSIER. „Auf meine Frage, ,Wie geht’s?‘, kam eine sehr kritische Aussage gegenüber den Asylwerbenden.“ So kritisch, dass Berthold sie vor laufender Kamera nicht wiederholen wollte.

Ein offenbar rassistischer Betreiber – Berthold sieht auch hier das Land in der Verantwortung, weil es die Quartierbetreibenden schließlich auswählt. „Man kann Quartiere nicht frei Haus vergeben“, sagt Berthold. Künftig soll die Vergabe nicht nur transparent, sondern auch nach strengeren Kriterien erfolgen. Zudem sollen Quartierbetreibende besser informiert werden –  auch darüber, „worauf sie sich da einlassen“. Die Landesrätin hat sich einiges vorgenommen. Denn im Moment hat das Land größere Probleme als die sorgfältige Auswahl geeigneter Quartiere, wie Bertholds zuständiger Abteilungsleiter, Franz-Erwin Eiersebner, sagt: „Wir haben keine Auswahl an Quartieren, dass wir sagen könnten, dieses oder jenes Quartier wird vorgezogen. Wir sind froh, dass wir die Quartiere in diesem Ausmaß überhaupt halten können.“

Doch alleine zwei der von Berthold besuchten fünf Quartiere seien nicht für den Fortbetrieb geeignet, sagt die Landesrätin. Dieses Verhältnis geht auch annähernd aus Ergebnissen der DOSSIER-Recherche hervor. – Trotz des insgesamt besseren Eindrucks, den Salzburg hinterlässt: In rund einem Drittel der Quartiere waren grobe Mängel feststellbar.