Landesrat duldet Gesundheitsgefährdung

Burgenland: Politik streitet Missstände ab und nimmt Gesundheitsgefährdung von Flüchtlingen in Kauf.

Asyl6.11.2014 

Die Ortschaft Pama im Bezirk Neusiedl am See, rund eine Autostunde von Wien entfernt. Hier sind Asylsuchende aus Afghanistan in einem Gasthaus untergebracht. Bereitwillig führen manche von ihnen durch das Quartier, das ihnen vom Land Burgenland für die Dauer ihres Asylverfahrens zugewiesen wurde: Das Gebäude ist baufällig, in Schlafräumen wächst großflächig Schimmel. Matratzen, Kästen, Couches sind alt und verdreckt; Gas ist rationiert. In der Küche gibt es nur zwischen 7 und 9 Uhr, 12 und 14 und von 17 bis 21 Uhr Strom. Den Umgang des Eigentümers Otto K. beschreiben sie als „respektlos und unmenschlich“ – er behandle sie, die Asylsuchenden, „wie Tiere“. An den Wänden hängen Schilder, auf denen K. ihnen mit Strafversetzung in andere Quartiere droht.

So präsentiert sich die Asylunterkunft in Pama (BL11) im Sommer 2013, als DOSSIER erstmals die Flüchtlingsunterbringung in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich und Salzburg untersucht. In der DOSSIER-Bewertung landet das Quartier in Pama wegen der zahlreichen groben Mängel auf dem letzten Platz. Trotzdem bezeichnet Wolfgang Hauptmann, Leiter des Referats Grundversorgung im Burgenland, die Unterkunft in einem ORF-Beitrag als „Top-Destination“.

Pama ist kein Einzelfall im Burgenland. Die Unterkunft steht exemplarisch für ein systematisches Problem im Flüchtlingswesen des Landes. Es reicht hinauf bis zum verantwortlichen Sozial-Landesrat Peter Rezar (SPÖ): Mangelhafte Kontrollen der Behörden und Ignoranz seitens der Landesregierung. Bereits im Juli 2013 schrieb die Volksanwaltschaft in einem Bericht über die burgenländische Grundversorgung „ […], dass geprüfte Quartiere zahlreiche Mängel, wie z. B. starken Schimmelbefall, untragbare Sanitärräume, sicherheitsgefährdende Infrastruktur, Ungeziefer etc. aufwiesen“. Ein Jahr später auf die weiterhin vorherrschenden Missstände angesprochen, sagt Volksanwalt Günther Kräuter im DOSSIER-Interview: „Dass bisher nichts passiert ist, ist sehr unbefriedigend. So kann es einfach nicht weitergehen.“

QuartierOrtVeränderungWertung 2013Wertung 2014
BL27522 Stinatz18826
BL112422 Pama12,51,514
BL57540 Güssing1112,523,5
BL147321 Unterfrauenhaid1111,522,5
BL207432 Aschau7,5916,5

 

Doch genau so scheint es weiterzugehen. DOSSIER besuchte jene Quartiere, die bei den Recherchen im Vorjahr besonders schlecht abgeschnitten hatten, im Herbst 2014 noch einmal. Während Unterkünfte in Salzburg auf einem relativ hohen Level stagnieren und die Qualität jener in Niederösterreich stark verbessert wurde, herrschen im Burgenland weiterhin gravierende Missstände. Fünf der acht schlechtesten Quartiere der aktuellen Recherche liegen im Burgenland. Einzige Lichtblicke im Burgenland: eine verbesserte Betreuungssituation in vielen Unterkünften; Diskriminierungen gingen zurück, Deutschkurse werden abgehalten, auch das Taschengeld wird korrekt ausgezahlt.

Übermalt und vertuscht

Als DOSSIER im Oktober 2014 neuerlich in der Unterkunft in Pama ist, sind zwar Betten ausgetauscht und auch der Umgang des Betreibers Otto K. habe sich im vergangenen Jahr laut den Asylsuchenden verbessert. Das Quartier wurde entrümpelt, ein Staubsauger angeschafft; das foliierte Papierschild mit den eingeschränkten Kochzeiten abgenommen. Doch Strom und Gas bleiben weiterhin rationiert – und auch den gröbsten Missstand in der Unterkunft gibt es weiterhin: die akute Gesundheitsgefährdung durch großflächigen Schimmelbefall in den Schlafräumen.

Anstatt den Schimmel sachgerecht zu sanieren, versteckt Otto K. diesen hinter einer Pressspanplatte, die zwischen Wand und Bett eingeschoben ist. Dass es sich bei den schwarzen Flecken neben dem Bett um Schimmel handelt, scheint den Asylsuchenden nicht bewusst zu sein: „Hier muss es einmal gebrannt haben“, sagt etwa ein Bewohner des Hauses, der den Schimmelbefall für Rußspuren hält. Als K. die erneuten DOSSIER-Recherchen in seiner Unterkunft bemerkt, lässt er den Schimmel übermalen – der Schaden wird vertuscht.

„Man müsste die Wand komplett sanieren und trocknen. Übermalen ist sicherlich nicht ausreichend“, sagt Peter Tappler, Sachverständiger für Schimmelbefall in Innenräumen, bei einem Lokalaugenschein drei Wochen später. „Bei so einem Schaden müsste man das Quartier aus gesundheitlichen Gründen sofort räumen“, so Tapplers Befund.

Missstand in der Verwaltung

Sozial-Landesrat Peter Rezar (SPÖ) war trotz mehrmaliger Anfragen nicht zu einer Stellungnahme bereit. Gegenüber ORF Burgenland streitet er die Vorwürfe betreffend der Unterkunft in Pama jedoch ab: Das Quartier sei unmittelbar nach der DOSSIER-Veröffentlichung geprüft worden. Die Zimmer seien „in einwandfreiem Zustand gewesen“, man habe „keine gravierenden Mängel“ feststellen können. Der Betreiber habe die Wände frisch gestrichen und isoliert, hieß es von Rezar.

Auch Otto K., Betreiber der Unterkunft, will gegenüber DOSSIER keine Stellungnahme abgeben. Stattdessen erreicht DOSSIER ein Schreiben von K.s Anwältin: „Festzuhalten ist, dass vorgenannter Beherbergungsbetrieb wöchentlichen Kontrollen der Caritas unterliegt. Weiters wird dieser mindestens zweimal jährlich sowohl von der Burgenländischen Landesregierung als auch von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See einer Inspektion unterzogen.“

Die Anwältin irrt. Weder ist für die Kontrolle von Otto K.s Unterkunft die Caritas zuständig, noch darf die eigentlich für die Betreuung von Flüchtlingen in Pama zuständige Diakonie überhaupt kontrollieren. „Die Missstände sind uns teilweise bekannt“, sagt Christoph Riedl, Leiter des Flüchtlingsdienstes der Diakonie, im Interview mit DOSSIER. „Die Diakonie hat aber keine Kontrollkompetenz. Sollten wir im Burgenland kontrollieren, würden uns die Betreiber hochkant rausschmeißen. Das könnten wir nur mit den gleichen Kompetenzen wie in Niederösterreich und mit Unterstützung machen.“ Schon vor einem halben Jahr habe sich die Diakonie bei den zuständigen Stellen des Landes für ein ähnliches Modell der Kontrolle stark gemacht, wie es in diesem Jahr in Niederösterreich eingeführt wurde – doch: „Der Vorschlag stieß nicht auf großes Interesse“, sagt Riedl.