Wir werden einen Richter brauchen

Bewohner·innen einer Wohnanlage in Traismauer sind verzweifelt, weil ihre Miete in den vergangenen zwei Jahren um bis zu 70 Prozent erhöht worden ist. Ein Ehepaar zog deswegen vor Gericht und steht dort Niederösterreichs größtem gemeinnützigen Bauträger gegenüber – der WET-Gruppe.

Text: Eja Kapeller, Sahel Zarinfard; Illustration: S. R. Ayers

Andere Themen11.12.2024 

Michael Kloibmüller hat den Gang eines machtbewussten Menschen: aufrecht, gerade Schultern, entschlossene Schritte. Auf dem Weg zum Lift, der hinauf in den obersten Stock und dort in sein Büro führt, schnappt er beim Empfang ohne hinzusehen nach einer Banane aus dem Obstkorb: »Etwas Gesundes für zwischendurch«, sagt er und lächelt entspannt.

Von einer kurzen Unterbrechung abgesehen arbeitete Kloibmüller knapp 20 Jahre lang im Innenministerium, unter anderem als Kabinettschef der Innenminister·innen Ernst Strasser, Johanna Mikl-­Leitner und Wolfgang Sobotka (alle ÖVP). 

Jetzt ist aber nicht mehr die Herrengasse in Wien, sondern der Bahnhofplatz in Mödling seine berufliche Heimat. Hier steht die Firmenzentrale der WET-Gruppe, deren Geschäfte Kloibmüller seit 2019 gemeinsam mit Christian Rädler führt. Mit mehr als 22.500 Wohnungen ist die WET Niederösterreichs größter gemeinnütziger Bauträger und will nach eigenen Angaben »der Partner für leistbares Wohnen« sein.

»Es gibt Menschen, die so wenig Geld haben, dass jeder Euro kritisch ist. Das wird von uns erkannt, ich sehe das«, sagt Kloibmüller im ­Interview mit DOSSIER. Aber: »Wir verwehren uns gegen den Vorwurf, dass wir die Verursacher sind. Ich sage den Damen und Herren auch immer, dass wir keinen Gewinn mit Mieterhöhungen machen«, sagt er – und meint die Mieter·innen einer Wohnanlage im nieder­österreichischen Traismauer.

Aktuell ist Kloibmüller mit einer Klage der Bewohner·innen konfrontiert, die sich auch auf andere Wohnanlagen der WET-Gruppe auswirken könnte. Weil die Miete in den vergangenen zwei Jahren um bis zu 70 Prozent erhöht worden ist, mussten manche aus ihren Mietwohnungen in Traismauer ausziehen. Andere greifen auf ihre Ersparnisse zurück, um ihre Wohnung zu behalten. Eine Misere, die nun vor Gericht gelöst werden soll.

Etwa am 16. Oktober 2024, beim ersten Verhandlungstermin am Landesgericht in St. Pölten. Vor Ort erzählen die Mieter·innen im Gespräch mit DOSSIER von ihrem Ärger – und ihren Ängsten. 

»Christian und Anita haben es noch gut erwischt«, sagt Gabriele Klinger augenzwinkernd und deutet mit dem Kopf zu jenem Ehepaar, das vor Gericht zog. »Sie zahlen nur 56 Prozent mehr Miete, bei mir sind es 69 Prozent.« Eigentlich ist der früheren Sozialarbeiterin nicht zum Scherzen zumute.

Sie lebt von einer geringen Pension und ist deswegen vor ein paar Jahren von Wien nach Traismauer gezogen. Aber auch das Leben auf dem Land ist mittlerweile zu teuer: »Wenn das so weitergeht, dann weiß ich wirklich nicht weiter«, sagt sie.

Kurz nach neun Uhr ruft der Richter in den Verhandlungsraum. Die nächsten 29 Minuten geht es um den Kapitalmarkt, um die Frage nach marktkonformen Darlehenskonditionen und um gesetzliche Pflichten von gemeinnützigen Bauträgern. 

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