Die goldene Achse

Fragwürdige Geldflüsse aus Aserbaidschan an europäische Politiker: Ein mutmaßlicher Drahtzieher hat im Goldenen Quartier Fuß gefasst.

Von Georg Eckelsberger und Peter Sim

Aktuelles21.11.2017 

  • Zweieinhalb Milliarden Euro flossen aus Aserbaidschan über ein mutmaßliches Geldwäschenetzwerk nach Europa: auch an Politiker, die das brutale Regime in Aserbaidschan öffentlich verteidigten.
  • Ein möglicher Drahtzieher betreibt seit 2014 ein Geschäft in René Benkos Luxusviertel Goldenes Quartier. Laut Firmendokumenten blieb er Miete in Millionenhöhe schuldig.
  • Die Signa-Gruppe will zu der Geschäftsbeziehung keine Fragen beantworten und verweist auf Geschäftsgeheimnisse.

 

Das Polohemd für 1.760 Euro. Der Maßanzug um schnittige 50.000 Euro. Man muss wohlhabend sein, um in der Filiale der italienischen Modekette Kiton im ersten Wiener Gemeindebezirk einkaufen zu können. 

Hier zwischen Graben und Tuchlauben ist nicht nur die Kleidung teuer. Die Büroflächen sind es auch, die Penthousewohnungen sowieso. Sie zählen zu den wertvollsten der Stadt. Darauf legt der Hausherr seit der Eröffnung Wert: 2012 präsentierte René Benko das pompöse Innenstadtviertel, ein Prestigeprojekt des 40-jährigen Tiroler Immobilienunternehmers. Er taufte es Goldenes Quartier.  

Zwei Jahre später ließ sich ein Geschäftsmann im Goldenen Quartier nieder: Rasim A., aserbaidschanischer Staatsbürger, heute 37 Jahre alt. A. betreibt hier die Kiton-Dependance, offiziell verdient er Geld mit Maßanzügen. Seit wenigen Wochen ist bekannt, dass Rasim A. eine zentrale Figur in einem mutmaßlichen Geldwäschenetzwerk ist, das sich von Aserbaidschans Hauptstadt Baku über Europa spannt.

2,5 Milliarden Euro in dunklen Kanälen

Journalisten der dänischen Zeitung Berlingske und des Organized Crime and Corruption Reporting Project(OCCRP) berichteten Anfang September erstmals über dubiose Geldflüsse aus Aserbaidschan: Rund 2,5 Milliarden Euro, die über Mittelsmänner aus den Kreisen der Machthaber in dunkle Kanäle geflossen seien. Europäische Politiker stehen im Verdacht, mit einem Teil des Geldes geschmiert worden zu sein. Das Regime habe sich Einfluss und Stimmung gekauft, so der Verdacht.

Die Milliarden wurden über Briefkastenfirmen in Großbritannien in die EU geschleust. Journalisten aus 15 Ländern, unter anderem der Süddeutschen Zeitung und des Guardian, werteten die Transaktionsdaten aus, die ihnen zugespielt worden waren. DOSSIER folgte den Geldflüssen nach Österreich – und stieß auf die Spur von Rasim A., einem mutmaßlichen Drahtzieher der Operation.

Rasim A., der Modehändler im Goldenen Quartier, erfreut sich laut OCCRP-Recherchen guter Beziehungen zur aserbaidschanischen Regierung. Er scheint als Gründer jener kleinen Firma mit Sitz in Baku auf, über die mehr als die Hälfte des Geldes in das Netzwerk geschleust wurde, der Baktelekom MMC. Der Firmenname ist leicht mit jenem der staatlichen Telekom Aserbaidschans zu verwechseln: Nach außen tritt die Baku Telephone Communications Production Union ebenfalls als Baktelekom auf.

Wie DOSSIER-Recherchen zeigen, taucht Rasim A. nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende der Geldspur auf: Im Sommer 2014 flog er mit einem Privatjet von Sardinien nach Montenegro. Bezahlt wurde der Flug von einer Briefkastenfirma aus dem Netzwerk, der Hilux Services LLP. Über dieselbe Firma floss auch Geld an europäische Politiker. 

Mietfrei in der Luxusmeile?

2014 war Rasim A. nicht nur auf Reisen, er fasste auch im Goldenen Quartier Fuß. Im September eröffnet er mit aserbaidschanischen Geschäftspartnern den Kiton-Shop in der Seitzergasse. Zwei Jahre zuvor hatte René Benko erste Teile des Luxusviertels fertiggestellt. 500 Millionen Euro habe die Signa Holding in das Projekt gesteckt, berichtet damals das Wirtschaftsblatt: Rechnen solle sich das vor allem durch „das große Geschäft im Retail“, sprich hohe Mieteinnahmen von Shopbetreibern.

Rasim A.s Geschäft schleppt sich: Vier Monate nach der Eröffnung schreibt das Unternehmen mehr als 430.000 Euro Bilanzverlust. Im zweiten Geschäftsjahr läuft es noch schlechter: Der Bilanzverlust steigt auf 1,76 Millionen Euro. Für Rasim A. und seine Geschäftspartner kein Grund zur Sorge: Sie verhindern eine Überschuldung, indem sie eine Nachrangigkeitserklärung für Darlehen von mehr als 2,4 Millionen Euro abgeben.

Und sie haben mit der Am Hof 2 Immobilien GmbH aus Benkos Signa-Gruppe einen verständnisvollen Vermieter. Laut Jahresabschluss 2015 machen Mietschulden den „größten Teil der Verbindlichkeiten“ aus, die sich zu diesem Zeitpunkt auf mehr als 4,5 Millionen Euro belaufen.

„Mit dem Vermieter wird gerade die Mietanpassung sowie ein Nachlass von Mieten für das Jahr 2016 und die Vorjahre verhandelt“, steht in der Bilanz. Demnach betriebt Rasim A. also ein Geschäft in teuerster Lage und blieb Miete in Millionenhöhe schuldig. Kurz darauf will der säumige Mieter sogar expandieren.

Mysteriöser Mieterwechsel

Im September 2016 wird öffentlich bekannt, dass der Schuhhändler Sergio Rossi als erster Shop wieder aus dem Goldenen Quartier auszieht. Das habe nichts mit dem Standort zu tun, beschwichtigen Signa-Vertreter im Kurier – der Shop-Nachbar Kiton habe die Fläche zu seinem Geschäft dazugenommen, heißt es in dem Bericht weiter. Peter Zöchbauer, Anwalt der Signa-Gruppe, bestreitet das auf DOSSIER-Anfrage: „Es kam zu keiner Flächenerweiterung bei Kiton."

Auf offiziellen Pressefotos, die damals im Goldenen Quartier aufgenommen wurden, ist der Kiton-Schriftzug aber eindeutig erkennbar – am ehemaligen Geschäftslokal von Sergio Rossi. Erst ein Jahr später, im September 2017, verschwindet er wieder, ein Berliner Blumengeschäft zieht als neuer Mieter ein. Auf Nachfrage bekräftigt Zöchbauer das Dementi: Es sei zu keiner Flächenerweiterung gekommen.

Bei anderen Fragen zum Mietverhältnis verweist der Anwalt der Signa-Gruppe auf das Geschäftsgeheimnis. Mit „Rasim A. persönlich (...) bestand und besteht keine Geschäftsbeziehung“, schreibt Zöchbauer. Zu seiner Person habe man „keine näheren Kenntnisse“. Auch über dessen gute Beziehungen zur Regierung Aserbaidschans, habe man demnach nichts gewusst.

Selbst die aktuelle Geschäftsführung des Kiton-Shops geht auf Distanz zu Rasim A.: Dieser sei zwar Miteigentümer des Unternehmens, man habe aber keine Kenntnis von seinen Geschäften. Und warum betreibt das Unternehmen ein Verlustgeschäft?

Zur Vergangenheit könne man nichts sagen, die bisherige Geschäftsführung sei im Mai 2017 entlassen worden, so eine Sprecherin. Man habe das Geschäft umstrukturiert und werde es professionell betreiben. Rasim A. ließ schriftliche Anfragen von DOSSIER unbeantwortet.

Kaufkraft aus Aserbaidschan

2014, das Jahr, in dem Rasim A. in der Seitzergasse Fuß fasste, war ein durchwachsenes Jahr für René Benko und sein Goldenes Quartier: Als im Oktober 2012 der erste Shop im Luxusviertel eröffnete, drängten sich Promis auf der Eröffnungsfeier, die Zeitungen waren voller Jubelmeldungen. Dann drehte sich der Wind: Zwei Jahre später berichteten Medien, dass die Kundschaft ausbleibe – die ersten Geschäfte würden bereits überlegen wieder auszuziehen. 

Es waren Zweifel am Gespür des erfolgsverwöhnten Investors laut geworden: Benko habe vor allem auf kaufkräftige Touristen aus dem Osten gesetzt, doch der Ukraine-Konflikt, die daraus folgenden EU-Sanktionen und der schwache Rubel hätten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Die kaufkräftigen Russen bleiben aus“, schreibt der Kurier im Juli 2014.

Die Presse wird Ende August 2014 konkret: Das Problem seien „Tuchlaubenhof und Seitzergasse, zwei Kernstraßen des Goldenen Quartiers, die niemand so recht betreten will“. Eine Woche später eröffnete Rasim A. genau dort sein Geschäft.

Immobilienkauf durchs Schlupfloch

Der Kiton-Shop ist nicht die einzige Geschäftsbeziehung zwischen einem Unternehmen von Rasim A. und der Signa-Gruppe: Am 17. März 2014 kaufte er eine fast 300 Quadratmeter große Eigentumswohnung um knapp vier Millionen Euro von der Tuchlauben Immobilien GmbH. Die Wohnung liegt ebenfalls in der Seitzergasse, schräg gegenüber dem künftigen Kiton-Geschäftslokal.

Wenn ausländische Staatsbürger in Österreich Immobilien erwerben, muss das Geschäft von der Behörde genehmigt werden. Rasim A. nutzt ein Schlupfloch.

Im Kaufvertrag erklärt der Geschäftsführer jener Firma, die die Wohnung erwirbt, dass die Gesellschaft nicht überwiegend in ausländischem Eigentum stehe. Genau genommen stimmt das, denn es ist eine weitere österreichische Gesellschaft zwischengeschaltet – die wiederum zu hundert Prozent Rasim A. gehört. Das Wiener Ausländergrunderwerbsgesetz sieht nur vor, den direkten Käufer und dessen Eigentümer zu identifizieren.

Zu dem Wohnungsdeal möchte Signa gegenüber DOSSIER ebenfalls keine Fragen beantworten. Man verweist auf Datenschutz. 

„Anlaufverluste“ in Millionenhöhe

Ein teures Modegeschäft, eine teure Wohnung und Flüge im Privatjet: Rasim A. scheint im Hintergrund noch über weit größere finanzielle Ressourcen zu verfügen. Der Geschäftsgegenstand einer weiteren Firma, der AE BG Eta Holding GmbH GmbH, die er seit Mai 2014 in Wien betreibt, ist die „Verwaltung sowie das Management des eigenen Vermögens, insbesondere (...) von Luftfahrzeugen“.  Mit wie viel Geld das Unternehmen hantiert, lässt sich anhand öffentlicher Dokumente erahnen.

Fast sieben Millionen Euro Bilanzverlust hat die Firma bereits im zweiten Geschäftsjahr angehäuft. Laut Jahresabschluss 2015 handelt es sich um „Anlaufverluste“. Die Finanzierung des Unternehmens wird einstweilen von unbekannter Seite durch Darlehen sichergestellt. Rasim A.s Geschäftspartner in dieser Firma: Mir Jalal Pashayev, der Cousin der First Lady von Aserbaidschan, hält 50 Prozent der Anteile.