Tiroler Maskerade

Die Privatklinik Medalp, deren Miteigentümer Alois Schranz das Land im Krisenstab berät, verkaufte nicht zugelassene Schutzmasken minderer Qualität an Gesundheitspersonal. Die Staatsanwaltschaft prüft – doch welche Rolle spielt das Land Tirol?

Text: Florian Skrabal

Aktuelles5.6.2020 

„Als ich die Masken aus der Verpackung genommen habe, haben sie fürchterlich gestunken“, erzählt ein Physiotherapeut, der anonym bleiben und seinen Namen nicht im Internet lesen möchte. „Es war ein schlimmer chemischer Geruch, das hat mich zunächst beunruhigt.“

„Zunächst“, wie er betont. Denn immerhin hatte er die Masken im April, mitten in der Corona-Krise, ja nicht von irgendjemandem gekauft: „Sie waren von Dr. Schranz und seiner Medalp“, fährt der Physiotherapeut fort: „Da vertraue ich voll“, dachte er sich.

Sechs Wochen vergehen, in denen der Physiotherapeut die vermeintlichen Schutzmasken der Klasse FFP2 immer wieder bei seiner Arbeit mit Patienten verwendet – bis er vor wenigen Tagen erstmals auf dietiwag.org, dem Blog des Tiroler Publizisten Markus Wilhelm, liest, dass mit den Masken etwas faul sein könnte.

Dort beschreibt Wilhelm, dass die Tiroler Privatklinik Medalp „schadhafte“ FFP2-Atemschutzmasken verkauft haben soll und keine ordnungsgemäßen Zertifikate vorlegen konnte – und das bis heute auch gegenüber DOSSIER nicht kann oder will. Zusätzliche Brisanz erhält die Causa durch die Verwicklung von Alois Schranz, Miteigentümer der Klinik Medalp mit guten Kontakten nach China.

Seit Mitte März dient Schranz dem Land Tirol als medizinischer Berater im Krisenstab. Der Arzt und Unternehmer ist ein persönlicher Freund von Tirols Landeshauptmann Günt­her Platter (ÖVP) und dürfte Medienberichten zufolge auch in Beschaffungsvorgänge von Schutzausrüstung durch das Land eingebunden gewesen sein.

Wie DOSSIER bereits Ende April berichtete, wurde Schranz’ Klinik Medalp fünf Wochen lang vom Land als Notkrankenstation zur Behandlung von Covid-19-Patienten herangezogen, obwohl es zur selben Zeit noch genügend Kapazitäten in öffentlichen Spitälern gab.

Nun sind es Atemschutzmasken eines chinesischen Herstellers, die von seiner Klinik, der Medalp – Zentrum für ambulante Chirurgie GmbH, ohne Zulassung an Gesundheitspersonal in Tirol verkauft wurden. Doch noch eine Stelle gab Masken desselben Herstellers im selben Zeitraum an Medizinerinnen und an Gesundheitseinrichtungen weiter: das Land Tirol. Das wirft eine Frage auf: Handelte es sich dabei um dieselben Masken? Dazu gleich mehr.

Staatsanwaltschaft prüft

Während DOSSIER die von Markus Wilhelm erhobenen Vorwürfe diese Woche prüfte und weiterrecherchierte, greifen auch andere Medien wie der ORF oder die Kronen Zeitung den Fall auf – und die Staatsanwaltschaft Innsbruck schaltet sich ein. Sie prüft, ob sich „ein Anfangsverdacht wegen einer strafbaren Handlung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Schutzmasken ergibt“, wie ein Sprecher auf Anfrage schreibt.

Inzwischen räumte Alois Schranz in einem ORF-Interview ein, dass die Masken nicht der versprochenen Qualität entsprochen hätten. „Unsere Absicht und unser Bestreben war, FFP2-Masken zu liefern, das ist keine Frage“, sagt Schranz gegenüber Radio Tirol. Eine Überprüfung hätte aber gezeigt, dass „ein paar Masken unter dieser geforderten Norm gewesen sind, weshalb alle Masken dann auf FFP1-Standard gesetzt wurden“. Ein Missverständnis, keine böse Absicht, so Schranz.

In einer Presseaussendung vom Vortag schlugen Schranz und Medalp-Geschäftsführer Georg Hoblik noch härtere Töne an: „Zum Vorwurf, die Medalp-Gruppe hätte minderwertige Schutzmasken verkauft, hat das Unternehmen (auch gegenüber dem betreffenden Online-Medium) klar festgehalten, dass zu jeder Zeit seriös und transparent informiert bzw. agiert wurde.“ Man habe „immer deutlich auf die Herkunft der Masken, deren Testung und deren Streuung in der Filterleistung hingewiesen.“ Mitnichten.

Schnäppchen im Plastiksack

Mehr als eine Handvoll betroffene Kunden beschreiben DOSSIER die Vorgänge sehr ähnlich. Sie legen Rechnungen, Fotos und zum Teil auch Gesprächsprotokolle vor. „Ich habe ganz klar FFP2-Masken bestellt und erwartet“, sagt ein Kunde zu DOSSIER. „Bei 3,80 Euro für eine FFP2-Maske dachte ich, juhu, das ist ein Schnäppchen“, sagt ein anderer.

Beim Kauf der Masken erhielten sie sonst keinerlei Information: Die Masken wurden ohne Verpackung, ohne Hersteller- oder sonstige Typenbezeichnung, ohne Beipackzettel oder Gebrauchsanweisung, sondern lediglich in einem durchsichtigen Plastiksack übergeben.

Dutzende Betroffene

Ins Rollen war der Maskenverkauf schon im April gekommen. Damals tritt ein Medalp-Mitarbeiter an die Tiroler Landesorganisation von Physio Austria, den Berufsverband der Physiotherapeuten in Österreich, mit dem Angebot heran, „Physiotherapeutinnen mit einer Maskenlieferung“ zu unterstützen, wie Stefan Moritz, Geschäftsführer von Physio Austria, DOSSIER schreibt.

Die Medalp stellte „1.000 FFP2-Schutzmasken unentgeltlich zur Verfügung“, der Verband bewarb wenig später per Newsletter, dass man bei Bedarf weitere „FFP2-Masken“ direkt bei der Klinik bestellen könne: „Mindestabnahme: 100 Stück zum Stückpreis von 3,80 Euro brutto, minus 10 Prozent Rabatt“, hieß es. Daraufhin kauften etliche Physiotherapeuten bei der Medalp im guten Glauben ein, FFP2-Masken hier günstig zu bekommen.

Ein Kunde erzählt DOSSIER, bei der Abholung der Masken direkt in der Klinik auf einer Art Lieferschein dutzende Namen von anderen Kunden gesehen zu haben. Wie viele Betroffene es tatsächlich gibt, bleibt vorerst unklar. Eine entsprechende Frage wurde vonseiten der Medalp bisher nicht beantwortet.

Vom Land eingekauft?

„Wir sind zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass die Masken, wenn sie von einer anerkannten Klinik in Tirol großflächig an andere Kliniken, Ärztinnen und eben auch Physiotherapeuten ausgegeben werden, entsprechend geprüft und zertifiziert sind und die geforderten Vorgaben erfüllen“, schreibt Physio-Austria-Geschäftsführer Moritz.

Bis heute kann auch Moritz nicht sagen, welche Masken welches Herstellers dem Verband übergeben wurden, nur so viel: „Es handelte sich um sogenannte KN95 Masken, welcher Typ es genau war, sollte die Medalp Ihnen mitteilen können.“ Die Masken seien jedenfalls, „so die Information, die an uns erging, vom Land Tirol eingekauft und bereits an weitere Gesundheitseinrichtungen verteilt und dort benutzt worden“, schreibt Moritz.

Ein Kunde, der mit der Medalp korrespondierte und dies auch mitprotokollierte, gibt gegenüber DOSSIER an, man hätte ihm gesagt, dass alles seine Ordnung hätte, „weil ja das Land Tirol in die Beschaffung involviert gewesen ist“.

Auf Anfrage bestreitet man das sowohl bei der Medalp als auch beim Land: „Wir haben im März die Masken von der Firma Arcnode in China gekauft“, schreibt Medalp-Geschäftsführer Georg Hoblik. „Die Medalp hat ihre Bestellungen eigenständig durchgeführt – sie waren nicht Teil der Beschaffungsorganisation des Landes, sondern wurden lediglich beim gleichen Hersteller bestellt“, so eine Sprecherin gegenüber DOSSIER.

Laut der Sprecherin wurde im März eine Million Schutzmasken bei der Firma Arcnode bestellt und auch geliefert. Die Masken seien „einerseits durch das Amt für Rüstung und Wehrtechnik geprüft und als FFP1-Masken klassifiziert“, eine Teillieferung sei von Dekra Testing and Certification GmbH im deutschen Essen getestet worden. Anhand der Prüfergebnisse soll für diese wiederum die Schutzklasse FFP2 bestätigt worden sein.

Also alles nur Zufall?

Die Indizien lassen noch einen Schluss zu: Die Masken könnten aus derselben Lieferung stammen. Immerhin bestellte die Klinik von Krisenberater Schranz zufälligerweise just zum selben Zeitpunkt, just beim selben chinesischen Hersteller wie das Land. Unter den gelieferten Masken gibt es just Unterschiede in den FFP-Klassen, nämlich FFP1 und FFP2 ­– und genau dieser Unterschied könnte der Medalp jetzt zum Verhängnis werden.

Zufall hin, Fakt her: Weder bei Schranz’ Klinik noch beim Land Tirol kann man für besagte Masken bisher ordnungsgemäße Zertifikate vorlegen, die ein In-Verkehr-Bringen der Masken erlauben. Denn obwohl man beim Land und der Medalp behauptet, man hätte Prüfberichte – die man trotz mehrfacher Anfragen nicht herausgibt –, so reichen auch jene des Bundesheeres oder des deutschen Instituts Dekra nicht aus. Die Masken müssten vom ÖTI, der einzigen dafür vorgesehenen Stelle in Österreich, zertifiziert werden.