Riskante Maskerade

Eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien verkauft nicht zugelassene Atemschutzmasken. Wurde die Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten gefährdet?

Text: Georg Eckelsberger, Florian Skrabal

Ärztekammer1.5.2020, aktualisiert: 27.5.2020

In diesem Artikel finden Sie Links zu Original-Dokumenten aus der Recherche.

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Der Preis ist unschlagbar. 29,90 Euro für zehn Atemschutzmasken – anderswo zahlt man in diesen Tagen ein Vielfaches. Denn immerhin handelt es sich bei dem Angebot nicht um simplen Mund-Nasen-Schutz, den man derzeit in fast jedem Supermarkt kaufen kann. Hier gibt es Profi-Ausrüstung zum Kampfpreis: jene begehrten FFP2-Masken, die nicht nur das Umfeld, sondern die Trägerin oder den Träger selbst vor der Infektion durch Viren schützen.

Für eine Berufsgruppe ist das besonders wichtig: Ärztinnen und Ärzte. Genau an sie richtet sich das günstige Angebot. Schließlich ist der Händler, die Equip4Ordi GmbH, eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien. „Als Medizinprodukte- und Arzneimittelgroßhändler sind wir kompetenter Ansprechpartner in allen Fragen rund um Ihre Ordination“, so die Mission des Unternehmens. Der Haken an der Sache: Die billigen Masken sind in Österreich nicht zugelassen und dürften daher gar nicht verkauft werden.

Seit Ausbruch der Corona-Krise ist die Nachfrage nach medizinischer Ausrüstung auf dem Weltmarkt regelrecht explodiert: In erster Linie werden Atemschutzmasken gebraucht. Das begrenzte Angebot rief unseriöse Anbieter auf den Plan, die versuchen, aus der Not anderer ein Geschäft zu machen. In Österreich scheint sich nun just eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien einzureihen: Wie DOSSIER-Recherchen zeigen, verkauft Equip4Ordi nicht zugelassene FFP2-Schutzmasken des chinesischen Herstellers Bi Wei Kang ­– und ist sich trotz mehrfacher Hinweise auf das Fehlen der erforderlichen Zertifizierung keiner Schuld bewusst.

Im Gegenteil.

Die falsche Fährte

Am 22. April landet eine E-Mail im Postfach von Ärztinnen und Ärzten, die schon zuvor mal bei Equip4Ordi bestellt haben: Das Unternehmen bewirbt darin „Covid-19-Schutzausrüstung“, neben Handdesinfektionsmittel und Handschuhen eben auch eine „FFP2-Atemschutzmaske ohne Ventil mit CE-Zertifizierung“. Der niedrige Preis macht einen aufmerksamen Arzt stutzig. Er sieht sich das Prüfzertifikat, das zu diesem Zeitpunkt noch im Webshop direkt unter dem Artikel mit der Nummer 2003406 steht, genauer an ­­– und erkennt: Es ist ungültig.

Der Arzt, der anonym bleiben möchte, wendet sich an Alexander Papanikolaou, den Geschäftsführer von Equip4Ordi, und weist diesen darauf hin, dass das Zertifikat auf der Website falsch sei. Tags darauf erhält der Mediziner eine E-Mail: „Anbei die Zertifikate, welche wir von unseren Herstellern erhalten haben. CE-TIPTOP... sind die 3-lagigen Masken“, beschwichtigt Papanikolaou. Man habe die Zertifizierungsstelle kontaktiert und „keine negative Rückmeldung“ erhalten. 

Überhaupt habe man in einer Woche einen „Termin zur Überprüfung der neuen Chargen unserer Schutzmasken“ beim OFI, dem Österreichischen Forschungs- und Prüfinstitut. „Ich denke, Sie werden uns zustimmen“, schreibt der Geschäftsführer, „dass wir hier bestmöglich agiert haben, aber ich gebe Ihnen recht, dass die Equip4Ordi nicht für die Richtigkeit der Zertifikate bürgen kann“.

Doch was der Geschäftsführer schreibt, ist falsch.

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Ohne Zulassung kein Verkauf

Sowohl das Zertifikat, das ursprünglich auf der Website stand, als auch jene, die der Geschäftsführer dem Arzt anschließend übermittelt, sind ungültig. Beim Institut für Ökologie, Technik und Innovation, kurz ÖTI, heißt es auf DOSSIER-Anfrage, dass die infrage stehenden Masken nicht auf Basis der vorgelegten Zertifikate verkauft werden dürften: „Die rechtlich passenden Dokumente fehlen, um die Masken in der EU auf den Markt bringen zu können“, schreibt eine ÖTI-Mitarbeiterin an DOSSIER.

Das ÖTI ist das einzige Institut in Österreich, das in der aktuellen Krise Schutzausrüstung für den medizinischen Bereich in einer Art Schnellverfahren zulassen kann. Nötig wurden die Schnellverfahren aufgrund der hohen Nachfrage und der Dringlichkeit. So können auch Masken verkauft werden, die keine CE-Kennzeichnung tragen, also nicht die Einhaltung europäischer Standards garantieren.

Auf besagte CE-Kennzeichnung bezieht sich Equip4Ordi-Geschäftsführer Alexander Papanikolaou gegenüber DOSSIER: „Wir haben die Masken des Herstellers Bi Wei Kang mit der CE-Zertifizierungsnummer CE 1282 von einem Lieferanten innerhalb der EU als Medizinprodukt gekauft“, schreibt er. DOSSIER liegen mehrere Fotos der Masken vor. Demnach ist auf manchen ein CE-Zeichen aufgedruckt, auf anderen nicht.

Selbst wenn man der Kennzeichnung CE 1282 folgt, landet man bei jenem italienischen Institut, dessen Zertifikat der Geschäftsführer zuvor dem Arzt übermittelt hat und das für die Zertifizierung von Schutzmasken schlicht nicht zugelassen ist. Wäre es zugelassen, würde es in dieser Liste der Europäischen Union aufscheinen, in der auch das ÖTI angeführt ist.

Bei der Recherche stößt man zudem auf die Website der European Safety Federation, dem Berufsverband der Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung. Dort wird explizit vor der Verschleierungstaktik mit der Nummer 1282 gewarnt.

Irreführender „Quickcheck“

Auch der Hinweis des Equip4Ordi-Geschäftsführers auf die Überprüfung der Masken beim OFI – nicht zu verwechseln mit dem für Schnellzulassungen berechtigten ÖTI – bietet keine Grundlage für den Verkauf.

Eine OFI-Mitarbeiterin verweist auf Anfrage darauf, „nur einen Quickcheck zu machen, damit Innovatoren und Importeure wissen, wo sie liegen; ob das, was da kommt, überhaupt die Möglichkeit hat, zugelassen zu werden“, sagt sie am Telefon. Die Prüfung des OFI würde keine Zertifizierung ersetzen, „das steht auch in unserem Angebot“.

Ob die Masken, so wie Equip4Ordi-Geschäftsführer Papanikolaou behauptet, die Qualitätsanforderungen erfüllen und entsprechend Schutz bieten, steht bis zu einer ordnungsgemäßen Zertifizierung jedenfalls in Zweifel.

Auf die konkreten Vorwürfe reagiert der Geschäftsführer lediglich mit dem Hinweis, man solle sich an den Hersteller, den Inverkehrbringer oder die Zulassungsstelle wenden. Equip4Ordi habe das Produkt lediglich gekauft. 

Wie viele der Masken bereits von österreichischen Ärztinnen und Ärzten in Gebrauch sind, lässt sich nicht sagen – auf DOSSIER-Anfrage gibt es von Papanikolaou dazu keine Auskunft. Es könnten viele sein: Bereits am 1. April hatte die Ärztekammer Wien auf das Angebot von Equip4Ordi hingewiesen. Der Betreff des Rundschreibens: „Schutzmasken“.


Update 27.05.2020: Schutzmasken zuerst verkauft, dann zugelassen

Die Firma Equip4Ordi GmbH, eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien, hat jene FFP2-Schutzmasken, die über Wochen ohne Zulassung an Ärztinnen und Ärzte verkauft worden sind, nun nachträglich zertifizieren lassen.

Fast drei Wochen nachdem DOSSIER erstmals berichtet hatte und die Masken nach Angaben von Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bereits ausverkauft worden waren, wurde die Schutzausrüstung am 19. Mai 2020 vom offiziellen Prüfinstitut ÖTI (Institut für Ökologie, Technik und Innovation GmbH) zertifiziert. Die Schutzwirkung der Masken wurde nun bestätigt. Auf mehrmalige Nachfragen legte Equip4Ordi DOSSIER die entsprechenden Zertifikate am 25. Mai vor.

Nach wie vor ist unklar, wie viele Ärzte die zunächst mit falschen Zertifikaten verkauften Atemschutzmasken bei Equip4Ordi gekauft haben –  und warum die Tochterfirma der Ärztekammer Wien das medizinische Personal darüber im Unklaren gehalten hat.