Das Geheimnis von Lukaschenkos Brieftasche

Der belarussische Oligarch Mikalai Varabei kaufte heimlich Luxusimmobilien in Österreich – mithilfe eines Habsburgers. Verletzt der Freund des Diktators Lukaschenko damit EU-Sanktionen? Als Folge der Recherche von DOSSIER und Belarusian Investigative Center prüft der EU-Rat eine Ausweitung der Sanktionsliste.

von Georg Eckelsberger und Florian Skrabal; Mitarbeit: Ashwien Sankholkar

Aktuelles22.11.2022 

Aufmacherbild: Sergei Guneyev / AFP / picturedesk.com; Collage: Tom Linecker

Ein Chalet mit Wald in Kärnten und zwei große Eigentumswohnungen an der vornehmen Wollzeile im ersten Wiener Gemeindebezirk. Rund sieben Millionen Euro ist das Immobilienportfolio wert, das der belarussische Geschäftsmann Mikalai Varabei trotz aufrechter EU-Sanktionen in Österreich unterhält – das zeigen Recherchen von DOSSIER und dem Belarusian Investigative Center (BIC).

Wegen seiner Verbindungen zum belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko wird Varabei auch »Lukaschenkos Ölbaron« oder »Lukaschenkos Brieftasche« genannt. 2020 hat die EU Sanktionen gegen Varabei verhängt: Ihm ist seither die Einreise in EU-Staaten verboten, seine Vermögenswerte wurden eingefroren.

Doch in Österreich gelang es Varabai mithilfe seiner Tochter und seiner Frau, mehrere Luxusimmobilien vor den Behörden abzuschirmen.

Entscheidend dabei ist, dass Varabei keine der Immobilien direkt besitzt. Das Chalet (300 Quadratmeter Wohnfläche, 19.000 Quadratmeter Grund) in dem kleinen Ort Gundisch im Kärntner Lavanttal gehört auf dem Papier der Firma Power Chemical Trading GmbH mit Sitz in Wien. Die Firma wiederum gehörte bis vor kurzem Katsiaryna Varabei (heute: Smuschkovich) – Mikalai Varabeis Tochter.

Vermutlich handelt es sich um eine Firmenhülle: Obwohl der Name Power Chemical Trading darauf hindeutet, hat die Firma neben dem Unterhalt des Chalets keinen ersichtlichen Unternehmenszweck.

2016 hat Smuschkovich die Firma samt Chalet von ihrem Vater übernommen. Der wiederum hatte das Anwesen kurz zuvor von einem Österreicher mit prominentem Namen gekauft: Maximilian Habsburg-Lothringen.

Ein Habsburger als Türöffner

Der 47-jährige Maximilian Habsburg-Lothringen ist ein Nachfahre der Habsburger-Dynastie. Im Laufe seines Berufslebens hat er für mehrere Privatbanken gearbeitet. Heute ist Habsburg-Lothringen als Unternehmer tätig. Er macht seinen bekannten Namen mit einer Weinmarke zu Geld und betreibt eine Vermögensberatung. Mit seiner Habsburg Solutions GmbH hilft er Klient·innen auch beim Kauf von Immobilien in Österreich. Die Website ist dreisprachig: deutsch, englisch und russisch.

Nach Russland hat Habsburg-Lothringen gute Beziehungen: Seit 2020 ist er Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft. Er verkehrte auch in Belarus: Laut vorliegenden Flugdaten reisten Habsburg-Lothringen und Mikalai Varabei seit 2013 mehrmals zwischen der EU und Belarus im Privatjet hin und her.

Habsburg-Lothringen war für eine Stellungnahme gegenüber DOSSIER nicht erreichbar.

Luxuswohnungen in der Wiener Innenstadt

Noch wertvoller als das Kärntner Chalet sind die beiden Luxuswohnungen in der Wiener Innenstadt, die DOSSIER und BIC dem sanktionierten Mikalai Varabei zuordnen können.

Bereits 2013 kaufte seine Ehefrau Tamara Varabei eine Wohnung in der Wollzeile um 3,7 Millionen Euro. Im Dezember 2017 kaufte Tocher Katsiaryna im selben Gebäude in Wien eine Wohnung: 202 Quadratmeter um drei Millionen Euro.

Von Luxus und Überschwang zeugen auch die Social-Media-Auftritte der Damen: Wie Journalist·innen von BIC recherchierten, posieren sie mit seltenen Designertaschen der Marke Hermès mit Preisen von 30.000 Eurobis sogar 110.000 Euro pro Täschchen, oder Ohrringen um mehr als 27.000 Euro.

Auf dem Papier gehören die Luxusimmobilien in Österreich Varabeis Tochter und seiner Frau – und eben nicht Mikalai Varabei selbst. Das ist seit 2020 ein entscheidender Vorteil für den belarussischen Clan: Als der EU-Rat Sanktionen gegen Varabei verhängt, sind ihm die Wohnungen und das Chalet nicht direkt zuzurechnen und bleiben bis heute unangetastet.

Die Millionen des Ölbarons

Varabei machte sein Vermögen insbesondere mit Ölgeschäften – unter anderem soll er mit der Firma Interservice im großen Stil russisch-belarussische Exportverträge für Petroleum unterlaufen haben.

Seine engen Verbindungen zu Diktator Lukaschenko sind Grundlage für seine Geschäfte:

»Sein Unternehmen BelKazTrans erhielt das ausschließliche Recht, Kohle durch Belarus zu verbringen (...) Er unterhält Geschäftstätigkeiten und enge Beziehungen zu den belarussischen Behörden und lieferte Lukaschenko zwei Luxusautos.« (Auszug aus der Begründung der EU-Sanktionen gegen Mikalai Varabei.)

Behörden ausgehebelt

Österreichs Behörden – zuständig ist die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst – sind im Fall Varabei die Hände gebunden: Die Sanktionen gelten nur für Mikalai Varabei persönlich und nicht für seine Familie.

Das hat der Oberste Gerichtshof 2019 bereits in einem ähnlichen Fall entschieden: »Die bloß familiäre Verbindung der Gesellschafter und des Geschäftsführers zu ihm begründeten keinen Einfluss oder eine Kontrolle des Sanktionsbehafteten« (siehe auch Falter 22/22).

Auch wenn es in Fällen wie diesem offensichtlich erscheint, dass nahe Verwandte als Platzhalter agieren – die Behörden haben kaum Spielraum. Sie müssen bei der Umsetzung der Sanktionen in Österreich ohnehin mit heftiger juristischer Gegenwehr rechnen. Um belarussische Ölmillionen bekommt man in Österreich nicht nur Luxusimmobilien, sondern auch schlagkräftigen Rechtsbeistand.

Ausweitung der Sanktionen beantragt

Als Folge der Recherchen von DOSSIER und BIC könnte die EU nun jedoch die Sanktionen ausweiten: Der schwedische EU-Abgeordnete Tomas Tobé (Moderaterna/EVP) und 23 weitere Abgeordnete stellten am 7. Oktober 2022 einen Antrag bei Josep Borrell, dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik: Sie wollen Varabeis Tochter, Katsiaryna Smuschkovich, auf die schwarze Liste setzen lassen. Die Entscheidung darüber trifft der EU-Rat der Regierungschefs.

Im Fall des Chalets in Kärnten würden neue Sanktionen aber mittlerweile ins Leere greifen: Infolge der DOSSIER- und BIC-Recherchen trat Katsiaryna Smuschkovich 19. Oktober 2022 die gesamten Anteile an der Power Chemical Trading GmbH, der das Chalet laut Grundbuch gehört, an ihren Co-Geschäftsführer Tarlan Javadov ab. Er bezahlte gerade einmal 100 Euro für die Firmenanteile von Varabeis Tochter.