Arztgeheimnisse

Verwirrtaktik statt Aufklärung: Eine Tochterfirma der Ärztekammer verkaufte nicht zugelassene Atemschutzmasken und spielt das herunter – mit Deckung von ganz oben.

Text: Georg Eckelsberger, Florian Skrabal

Ärztekammer8.5.2020, aktualisiert: 27.5.2020

Aufmacherfoto: ÖÄK / Christian Leopold

„Sie gehen mir auf die Nerven“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer. Seine Geduld ist aufgebraucht, er will keine Fragen mehr hören. Vor allem eine nicht: Warum eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien, die Equip4Ordi GmbH, nicht zugelassene FFP2-Schutzmasken an Ärztinnen und Ärzte verkauft hat.

DOSSIER berichtete vergangene Woche über den Fall. Nach Veröffentlichung des Artikels verschwanden die fraglichen Masken aus dem Onlineshop.

Angeblich hat das nichts mit den DOSSIER-Recherchen zu tun: „Wahrscheinlich sind sie ausverkauft“, mutmaßt Szekeres am Telefon. Kurz darauf platzt ihm der Kragen. Schon zuvor hatte der oberste Standesvertreter die DOSSIER-Recherche öffentlich in Zweifel gezogen.

„Stimmt nicht“, schrieb er am 1. Mai unter den Facebook-Beitrag zur Geschichte, dass die Equip4Ordi wochenlang nicht zugelassene Masken an ihre Kernklientel verkauft hatte. Wissentlich. Denn als ein Arzt die Unternehmensführung darauf hingewiesen hatte, legte diese weitere falsche Zertifikate vor – und bot die Masken munter weiter an.

Szekeres’ Facebook-Dementi wirft neue Fragen auf.

„Alle Masken“ seien durch „öffentliche Prüfstellen“ getestet worden, versicherte der Präsident. Verwirrend daran: Nicht einmal bei der Firma Equip4Ordi hatte man behauptet, bei einer „öffentlichen Prüfstelle“ getestet zu haben. Geschäftsführer Alexander Papanikolaou hatte auf einen Quickcheck bei dem privaten Institut OFI Technologie & Innovation GmbH verwiesen.

Was stimmt nun?

Am Telefon versucht Szekeres aufzuklären: Die Zulassung „ist passiert oder ist im Laufen, das ist meine Information“, sagt er – und weiter: „Ich habe den Prüfbericht von OFI eingesehen, und die Masken sind für mich in Ordnung.“ Was in den Augen des Ärztekammer-Präsidenten ausreicht, widerspricht jedoch geltendem Recht.

Eine Prüfung des OFI würde keine Zertifizierung ersetzen, „das steht auch in unserem Angebot“, sagte eine OFI-Mitarbeiterin gegenüber DOSSIER am Telefon (mehr dazu in „Riskante Maskerade“). Doch nicht einmal den Bericht des OFI kann oder will man weder bei der Ärztekammer noch bei Equip4Ordi bis Redaktionsschluss vorlegen.

„Sie bekommen das, wenn es uns recht ist“, sagt Szekeres. Auch zwei Wochen nachdem Equip4Ordi auf die fehlende Zulassung der Masken hingewiesen worden ist, sieht er keinen Grund zur Eile: „Ich lasse mir kein Ultimatum setzen“, so der Ärztekammer-Präsident.

Fehlstart für Tochterfirma

Die Equip4Ordi GmbH steht indes nicht zum ersten Mal in der Kritik. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte die Ärztekammer Wien ein Unternehmen für den Großhandel mit Medizinprodukten gekauft und es in Equip4Ordi umbenannt.

Im September 2019 wurde der Startschuss für das Online-Bestellportal für Ärztinnen und Ärzte groß im Palmenhaus gefeiert.„Der angebotene Service Equip4Ordi wird um Welten besser werden als das, was es vorher gegeben hat“, versprach einer der beiden Geschäftsführer, wie in der Österreichischen Ärztezeitung nachzulesen ist.

Und Johannes Steinhart, der Obmann der Kurie für niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Wiener wie der Bundeskammer, betonte dort auch die Vorteile des Angebots: „... bei größter Transparenz, einfachster Handhabung und bestem Preis“.

Doch just zu diesen Punkten hagelt es seit Wochen Kritik von Ärztinnen und Ärzten.

Grund dafür sind abermals Atemschutzmasken: Ende März 2020 bot Equip4Ordi Masken der Firma 3M an – damals um 33 Euro pro Stück. „Abzocke“, „ein verfrühter Aprilscherz“, „Boykott“ lauten einige der freundlicheren Facebook-Kommentare.

Auch die Ärztekammer gerät direkt ins Visier.

Schließlich gehört Equip4Ordi nicht nur der Kammer – die Firma erhielt auch eine kräftige Finanzspritze aus Kammerbeiträgen. „Der Equip4Ordi wurde zum Start Ende letzten Jahres vom Kammervorstand ein Darlehen von 900.000 Euro gewährt, um dem Unternehmen nicht nur die notwendige Starthilfe zu geben, sondern auch ein entsprechendes Warenlager aufzubauen“, informierten Präsident Szekeres und sein Vize Steinhart am 1. April 2020 in einem Rundschreiben an alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.

Kurz darauf sind die teuren Masken aus dem Equip4Ordi-Shop verschwunden. Sie werden durch zehnmal billigere Masken ersetzt – ebenjene FPP2-Masken aus China, für die man bis heute keine gültigen Zertifikate vorlegen kann oder will. Der Ärztekammer-Präsident sieht darin kein Problem: „Sie machen einen Skandal, wo kein Skandal ist.“


Update 27.05.2020: Schutzmasken zuerst verkauft, dann zugelassen

Die Firma Equip4Ordi GmbH, eine Tochterfirma der Ärztekammer Wien, hat jene FFP2-Schutzmasken, die über Wochen ohne Zulassung an Ärztinnen und Ärzte verkauft worden sind, nun nachträglich zertifizieren lassen.

Fast drei Wochen nachdem DOSSIER erstmals berichtet hatte und die Masken nach Angaben von Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bereits ausverkauft worden waren, wurde die Schutzausrüstung am 19. Mai 2020 vom offiziellen Prüfinstitut ÖTI (Institut für Ökologie, Technik und Innovation GmbH) zertifiziert. Die Schutzwirkung der Masken wurde nun bestätigt. Auf mehrmalige Nachfragen legte Equip4Ordi DOSSIER die entsprechenden Zertifikate am 25. Mai vor.

Nach wie vor ist unklar, wie viele Ärzte die zunächst mit falschen Zertifikaten verkauften Atemschutzmasken bei Equip4Ordi gekauft haben –  und warum die Tochterfirma der Ärztekammer Wien das medizinische Personal darüber im Unklaren gehalten hat.